«Ungeschriebene Grenzen der Rückwirkung in der Schweiz», 104. Forschungslunch der ABL
Die Mitarbeitenden der Abteilung Business Law (ABL) forschen und lehren zur gesamten Palette juristischer Themen mit Fokus auf angewandtem Recht und Wirtschaftsrecht. Seit mehr als 10 Jahren gibt die ABL regelmässig im Rahmen eines Lunches Einblick in die Projekte und Ergebnisse ihrer Forschung.
Ungeschriebene Grenzen der Rückwirkung in der Schweiz
Die Anwendung einer Norm auf Sachverhalte, die sich vor deren Erlass ereignet haben, widerspricht grundsätzlich dem Gerechtigkeitsgefühl. Die Rechtsunterworfenen sollen ihr Verhalten nach den Rechtsnormen richten können. Dennoch kann die Rückwirkung manchmal sinnvoll sein, z.B. um dringende gesetzgeberische Anliegen schneller und breiter umzusetzen.
Das Bundesgericht hat bereits früh vom Gleichheitsprinzip (Art. 4 BV/1879) einen Grundsatz des Rückwirkungsverbots abgeleitet. Diesen hat es in der Folge präzisiert, bis es schliesslich im Jahre 1966 fünf kumulative Voraussetzungen für die zulässige Rückwirkung festhielt: Die Rückwirkung müsse vom Gesetzgeber vorgesehen, von mässiger Dauer und triftig begründet sein. Ausserdem solle sie «nicht krass gegen die Rechtsgleichheit verstossen» und die wohlerworbenen Rechte beachten.
Diese Praxis ist seither unangetastet geblieben. Das erstaunt, wenn man berücksichtigt, dass der Vertrauensschutz oder das Verhältnismässigkeitsprinzip, mit denen sie eng verbunden ist, nach den 60er-Jahren tiefgreifend weiterentwickelt wurden. Offen ist zudem, ob sie heute nicht durch andere Prinzipien und Institute obsolet geworden sei.
Das ruft nach einer vertieften Analyse der Gerichtspraxis sowie der Grundlagen des Rückwirkungsverbots. Wird die geltende Praxis den sich gegenüberstehenden konträren Interessen gerecht? Soll sie allenfalls aus ihrem Dornröschen-Schlaf geweckt und aktualisiert werden?
Madeleine Camprubi ist Dozentin am Zentrum für öffentliches Wirtschaftsrecht. Sie forscht und lehrt zum Staatsrecht, zum öffentlichen Wirtschaftsrecht und zum Verwaltungsverfahrensrecht.
Datum
Von: 30. November 2022, 12.00 Uhr
Ort
Online & SG U1.27
Veranstalter
ZHAW Abteilung Business Law
Gertrudstrasse 15
8400
Winterthur
+41 (0) 58 934 70 25
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ZHAW Abteilung Business Law