Kämpferin für saubere Energie
Seit rund 20 Jahren beschäftigt sich Regina Betz mit den Bereichen Energie und Klimawandel. Seit April ist sie Leiterin des neuen und wachsenden ZHAW-Center for Energy and Environment (CEE).
ZHAW-Impact Nr. 40
Sie gehört zu den «100 Frauen von morgen», welche die Standortinitiative «Deutschland – Land der Ideen» für ihre zukunftsweisenden Ideen ausgezeichnet hat. Bei internationalen Klimakonferenzen sass sie für die deutsche Delegation mit am Verhandlungstisch. An der Universität in Sydney hat sie über Energie- und Umweltmärkte geforscht sowie Studierende und Doktoranden aus aller Welt betreut. Vor fünf Jahren kam Regina Betz an die ZHAW-School of Management and Law, zunächst als Dozentin für Volkswirtschaftslehre. Seit rund 20 Jahren beschäftigt sich die gebürtige Deutsche, die in Genf aufgewachsen ist, mit den Bereichen Energie und Klimawandel. Beide Themen lassen sich ihres Erachtens nicht trennen: «Das Verbrennen fossiler Energien ist einer der Haupttreiber für den Klimawandel», sagt sie.
Bezahlbare Energieversorgung
Seit April ist sie Leiterin des neuen und wachsenden ZHAW-Center for Energy and Environment (CEE) und hat eine Mission: «Wir wollen einen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel und für eine saubere sowie bezahlbare Energieversorgung leisten.» Erreichen will sie dies, indem sie als Dozentin für Energie- und Umweltökonomik andere für das Thema begeistert und ausbildet und somit als Multiplikatoren gewinnt (siehe auch Rubrik Weiterbildung CAS Klimastrategien) und als Wissenschaftlerin empirische Forschung betreibt. Dazu sammeln sie und ihr Team Daten über verschiedene Instrumente der Energie- und Klimapolitik, analysieren, wie Emissionshandelsmärkte, Märkte für regenerative Energie und auch Strommärkte funktionieren. Offene Fragen fliessen unter anderem in Laborexperimente, aber auch in reale Experimente ein, bei denen neue Designs für Instrumente getestet werden. Solche Instrumente werden zur Minderung von Treibhausgasen eingesetzt oder als Anreizsysteme zur Förderung erneuerbarer Energien. «In einer Art Spiel wenden die Teilnehmenden unsere Regeln an und kaufen oder verkaufen Strom oder Emissionsrechte. Wir schauen, was passiert, wenn bestimmte Parameter verändert werden. Damit das Ganze auch möglichst ernsthaft und nicht nur als Spiel verstanden wird, setzt die Ökonomin auch Anreize: «Wer die bessere Strategie verfolgt, erhält eine bessere Bezahlung für seine Teilnahme am Experiment.» Testpersonen sind ZHAW-Studierende mit Berufserfahrung, aber auch Mitarbeitende von Institutionen aus der Energiebranche.
Nationalfonds und Horizon 2020
Ihre Forschung soll nicht nur für die Schweiz von Bedeutung sein, sondern auch für Europa. Schliesslich macht auch der Klimawandel nicht vor Landesgrenzen halt. In einem vom Nationalfonds geförderten Projekt untersucht Betz zusammen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universitäten Basel und Genf und der HTW Chur sowie der HES-SO, wie sich die hierzulande diskutierten Reformen beim Wasserzins auswirken würden, vor allem auf die Elektrizitätspreise und die betroffenen Bergkantone. Heute erhalten die Gemeinden und Kantone einen fixen Wasserzins, unabhängig davon, ob und wie viel Strom ein angesiedeltes Kraftwerk mit ihrem Wasser produziert. Am Ende sollen die Forschungsergebnisse Transparenz in die komplexen Geldflüsse bringen und Politikerinnen und Politikern bei ihren Entscheidungen für eine möglichst sozialverträgliche Lösung helfen.
Bei einem grossen europäischen Horizon-2020-Projekt arbeitet sie zusammen mit Forschenden aus 32 Ländern. Hier wurde eine Plattform erstellt, mit deren Hilfe Energieeffizienzdaten und Fördermodelle abgerufen und verglichen werden können. «Aus der Sicht der Ökonomie ist natürlich Energiesparen immer besser, als Energie zu produzieren. Doch die richtigen Anreizsysteme zu finden, damit die vorhandenen Einsparpotenziale auch ausgeschöpft werden können, ist nicht leicht», gibt sie zu bedenken. Die EU-Projektgruppe analysiert, welche Strategien und Instrumente in welchen Ländern wie funktioniert haben. Darunter sind verschiedene Instrumente wie CO2-Abgaben, weisse Zertifikate oder gesetzliche Regulierungen. Die gesammelten Daten fliessen in eine Plattform, mit der Benchmarks erstellt werden können, die Ländervergleiche etwa beim Energieverbrauch des Industriesektors erlauben. Die Ergebnisse sorgen mitunter für Überraschungen: «Es sind nicht Länder wie Deutschland oder die Schweiz, sondern Länder wie die Slowakei, die hinsichtlich Energieeffizienz besser abschneiden.» Bei Präsentationen staunten dann die Vertreter aus Ministerien und Behörden nicht schlecht, wenn sie feststellten, dass ihre unglaublich hohen Subventionen in einen Bereich nichts bewirkt hätten, sagt die Umweltökonomin. Doch auch wenn es letztlich schwierig sei, die Qualität der zugrundeliegenden Daten zu beurteilen, «diese Plattform ermöglicht zumindest ein objektiveres Bild, da Daten so vieler Länder einflossen». Betz arbeitet auch eng mit Forschenden aus China und Australien zusammen – beides Länder mit grossem Energieverbrauch und Umweltproblemen. Ihr Grundsatz bei allem: «Man muss über den Tellerrand hinausschauen und beobachten, was woanders schon mal ausprobiert wurde und wie es funktioniert hat.» Patentrezepte zu Energie- und Klimafragen gebe es aber nicht. Auch erfolgreiche Instrumente müssten stets an örtliche Besonderheiten angepasst werden.
«Man muss über den Tellerrand hinausschauen und beobachten, was woanders schon mal ausprobiert wurde und wie es funktioniert hat.»
Regina Betz
Wie müssen Emissionshandelssysteme aussehen?
Ihre langjährige Erfahrung im Design und in der Evaluierung politischer Instrumente im Bereich Energie und Klimaschutz bringt die Ökonomin auch im vom Bund geförderten Swiss Competence Center for Energy Research CREST ein. Hier forscht sie zusammen mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern von Schweizer Hochschulen an nicht-technischen Lösungen für die Energiewende, wozu auch CO2-Emissionshandelssysteme gehören. Diese haben die Umweltökonomin schon während ihrer Zeit am renommierten Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe (D) interessiert: «Als ich angefangen habe, meine Promotion darüber zu schreiben, gab es dieses Anreizsystem noch gar nicht.» Die EU war gerade dabei, dieses Instrument zu entwickeln. Betz verfolgte die Ausgestaltung von Anfang an mit.
Designer-Märkte faszinieren sie
Seither hat sie dieses Themengebiet nicht mehr losgelassen. Wie man solche reinen Designer-Märkte kreiert und realisiert, findet sie extrem spannend. «Ein Staat hat unglaublich viele Möglichkeiten, hier einzugreifen.» Allein bei den Sanktionen gebe es zig Möglichkeiten, diese auszugestalten: Manche Länder legen sie fix fest, andere orientieren sich an den Zertifikatspreisen. Während die einen auf Automatismen setzen, bevorzugen andere Einzelfallregelungen. Entscheidend für den Erfolg sei nicht zuletzt, «wohin die eingenommenen Gelder fliessen», sagt Betz und verdeutlicht das am Beispiel von Australien, wo sie viele Jahre mit ihrem Mann, einem IT-Spezialisten der Finanzbranche, gelebt hat und wo auch ihre Tochter zur Welt kam. Bei ihren Forschungsarbeiten am Centre for Energy and Environmental Markets an der Universität in Sydney stiess sie auf ein interessantes Phänomen im Zusammenhang mit weissen Zertifikaten, die Unternehmen zu mehr Energieeffizienz bewegen sollten: «Die Einnahmen aus den Sanktionen flossen direkt in die Staatskasse. Die Folge: Alle staatlichen Betriebe erreichten ihre Einsparziele nicht, zahlten Sanktionen und haben so die Staatskasse aufpoliert. Sobald staatliche Betriebe privatisiert wurden, hörte das auf. Da muss man schon ganz genau hinschauen, um solche merkwürdigen Anreize zu entdecken.» Die Arbeit in Australien sei spannend gewesen, aber auch schwierig wegen der vielen Klimaskeptiker, die es dort gibt. In einem Land, dessen Wohlstand hauptsächlich vom Export von Kohle und anderen Bodenschätzen abhängt, sah sie sich starken Gegenpolen gegenüber.
Während eines Sabbaticals kam Betz in die Schweiz zurück und forschte als Gastwissenschaftlerin an der Uni Zürich und an der ETH. Über den Kindergarten ihrer Tochter bekam sie Kontakte zu ZHAW-Forschenden und erhielt schliesslich ein Jobangebot. Statt nach Australien zurückzukehren, blieben sie in der Schweiz. Hier lebt die Klimaexpertin mit ihrem Mann und ihrer mittlerweile 11 Jahre alten Tochter in Zürich.
Der Teufel steckt im Detail
In all den Jahren ihrer intensiven Energie- und Klimapolitikforschung hat sie vor allem eines festgestellt: «Es kommt nicht so sehr darauf an, welches Instrument man anwendet. Der Teufel steckt im Detail.» Auch die Berücksichtigung verteilungspolitischer Aspekte sei ihrer Meinung nach sehr wichtig für den langfristigen Erfolg der Umweltbemühungen. «Denn sobald eine Regelung als ungerecht und unfair eingeschätzt wird, besteht die Gefahr, dass man das Instrument killt. Und das können wir uns im Umweltbereich nicht leisten. Wir haben einfach nicht mehr so viel Zeit», sagt sie energisch. Länder müssen deshalb mehrere Instrumente anwenden, falls eines nicht gut funktioniert.
Klimawandelskeptiker in den USA
Weshalb der amtierende US-Präsident Trump Klimapolitik als nicht so dringlich erachtet und es in seinem Land so viele Klimawandelskeptiker gibt? Auch darauf hat Betz nach Antworten gesucht: «Die grossen Umweltverschmutzer wie Exxon Mobile oder andere Ölgiganten haben schon früh versucht, Forschung zu fördern, die die Existenz des Klimawandels in Frage stellt. «Damit haben sie die Bevölkerung verunsichert.» Nicht zuletzt spielt die Religion eine grosse Rolle, sagt die Forscherin. «Es gibt US-Studien, die zeigen, dass es viele religiöse Menschen gibt, die glauben, extreme Wettersituationen seien von Gott gemacht und deuteten auf die Endzeit hin.» Und wenn die Welt ohnehin bald untergeht, wozu sollten sie sich dann noch engagieren? Darüber hinaus ist sie auf Studien gestossen, die zeigen, dass in den USA Politiker grossen Zuspruch erhalten, die Zweifel am Klimawandel streuen. Aufklärungsarbeit ist also gefragter denn je. Regina Betz wird die Arbeit so schnell nicht ausgehen.
Autorin: Patricia Faller
Hochschulmagazin ZHAW-Impact
«Energiewende» lautet das Dossierthema der aktuellen Ausgabe des Hochschulmagazins ZHAW-Impact. Eine Auswahl der Themen: Wie können Städte und Gemeinden die Bevölkerung zum Energiesparen bewegen? Wie hat sich der Energiediskurs verändert? Weshalb schrecken Hauseigentümer vor Investitionen in erneuerbare Energien und Effizienz zurück, obwohl Fördergelder und Steuererleichterungen locken? Wie sieht eine wirksame Energie- und Klimapolitik aus? Intelligente Netze und Lösungen, dank derer Solarenergie erzeugt werden kann, wenn sie gebraucht wird, nicht nur, wenn die Sonne scheint.
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