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School of Management and Law

Die Schweizer Liebe zur Staatswirtschaft stellt keine Änderung in Aussicht

Staatsunternehmen gegen KMU – an der ZHAW-Tagung diskutieren Juristen und Ökonomen über neue Regeln für einen fairen Wettbewerb.

Derzeit geraten wirtschaftlich tätige Staatsunternehmen zunehmend in den Fokus: Die Postauto Schweiz AG soll Subventionen zweckentfremdet haben, die Berner Kraftwerke kaufen dutzende Privatunternehmen und drängen in private Märkte ein und die SBB Cargo plant trotz Riesenverlusten ein Megaprojekt, mit welchem der private Markt für den Containerumschlag am Rheinknie beseitigt würde.

Der letzte Leading Case des Bundesgerichts hierzu ist bereits über fünf Jahre alt. Haben sich die damals gesetzten Leitplanken für den Umgang mit wirtschaftlicher Staatstätigkeit bewährt? Müssen künftig weitere Massnahmen ergriffen werden, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden? Diesen und weiteren Fragen gingen die Referenten an der von Prof. Andreas Abegg organisierten 6. Tagung zum öffentlichen Wirtschaftsrecht am 5. April in Zürich nach.

Expansion in neue Märkte als Hauptproblem
Dr. Simon Jäggi, stellvertretender Direktor für Wirtschaftspolitik im Staatssekretariat für Wirtschaft SECO eröffnete mit einer Auslegeordnung. Jäggi analysierte die Ursachen von Wettbewerbsverzerrungen aus ökonomischer Sicht. Er sieht das Hauptproblem in der Expansion staatlicher Unternehmen in neue Märkte mit «längeren Spiessen». Weniger klar sei, wie dem Problem entgegengetreten werden soll: Privatisierung, Entflechtung von Politik und Unternehmen oder die Beschränkung der Tätigkeitsfelder von Staatsunternehmen sind mögliche Lösungsansätze.

Prof. Peter Hettich von der Universität St. Gallen befasste sich mit den aktuell vorliegenden, politischen Vorstössen. Auf dem Tisch liegen insbesondere eine Ergänzung des Binnenmarktgesetzes, welches Minimalstandards für kantonale und gemeindeeigene (nicht aber bundeseigene) Unternehmen festlegen würde, und eine Aufsicht über Staatsunternehmen durch die Wettbewerbskommission. Einfache Antworten und Lösungen sind gemäss Hettich nicht zu haben. Es geht um den richtigen Mix von Massnahmen, wobei die Hautverantwortung bei der Politik liegt.

Im Schweizerrecht fehlt eine Beihilfekontrolle
Staatsunternehmen verfügen oft über finanzielle Vorteile, sogenannte Beihilfen, z. B. durch eine Staatsgarantie oder eine Kapitalisierung zum Nulltarif. Prof. Matthias Oesch von der Universität Zürich erläuterte die Möglichkeiten, diesen Wettbewerbsverzerrungen mit einer Beihilfekontrolle beizukommen. Eine solche besteht im EU-Recht und (wenig bekannt) im Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und der EU, nicht aber im Schweizer Recht. Zurzeit kennt das Schweizer System lediglich zwei Vorkehrungen, jene der staatlichen Wettbewerbsneutralität und jene des Verbots ungerechtfertigter Steuervergünstigungen. Das Thema liegt nun aber ganz oben in der Prioritätenliste bei den aktuellen Verhandlungen mit der EU über ein Rahmenabkommen.

Prof. Patrick Krauskopf von der ZHAW warnte vor übertriebenen Erwartungen an das Kartellrecht als Regulator von Marktverzerrungen durch Staatsunternehmen. Im Grundsatz ist die Marktmacht nicht verboten. Die Herausforderung liege darin zu verhindern, dass staatliche Unternehmen mit ungleichlangen Spiessen auf neuen Märkten Marktmacht erlangen. Selbst wenn aber gegenüber Staatsunternehmen (wie der Swisscom in 26 Verfahren) Bussen verhängt werden, sei der Schaden limitiert, weil der Bund die Busse als Eigentümer des Unternehmens bezahlt und dann sogleich als Aufsichtsinstanz einzieht.

Schweizer Liebe zur Staatswirtschaft stellt kaum Änderungen in Aussicht
Mit einer wirtschaftswissenschaftlichen Analyse erläuterte Prof. Dr. Reto Steiner, Direktor der ZHAW School of Management and Law, das Dilemma der Staatsunternehmen zwischen ökonomischen Anreizen und Vorgaben zum Public Value. Laut Steiner legen Bevölkerung und Politik mehr Wert auf Qualität denn Effizienz, und es bestünde eine (zu) starke Verflechtung von Staatsunternehmen und Politik resp. Verwaltung.

Bei der abschliessenden Podiumsdiskussion waren sich die Referenten einig, dass es weitere Schritte zum Schutz des Wettbewerbs braucht, die «Liebe der Schweizer zur Staatswirtschaft» aber keine fundamentalen Änderungen erwarten lässt.

Auskunft: Prof. Dr. Andreas Abegg, Leiter Zentrum für öffentliches Wirtschaftsrecht