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School of Management and Law

Zoom In: Silvan Leibacher

Silvan Leibacher hat im Bachelor Wirtschaftswissenschaften mit Vertiefung in International Management an der ZHAW studiert und aus dem Studium heraus ein erfolgreiches Unternehmen gegründet.

Juni 2023

Von 2010 bis 2013 studierte Silvan Leibacher an der ZHAW, bereits nach einem Jahr stieg er in die Selbstständigkeit ein und gründete mit seinen Geschwistern die Leibacher Biber-Manufaktur. Vor drei Jahren kam mit EggField noch ein zweites Unternehmen dazu. Für unsere Interviewreihe Zoom In haben wir mit dem engagierten Jungunternehmer gesprochen.

Drei Geschwister, die sich entschliessen, gemeinsam eine Manufaktur zu eröffnen – das hört sich nach einer Menge Arbeit an.

Ja, viel Arbeit war und ist es bestimmt. Aber wir hatten und haben auch viel Spass dabei. Und gelernt haben wir auch einiges. Im Nachhinein lesen sich die meisten Geschichten relativ «linear», so als hätte jeder Schritt automatisch den nächsten nach sich gezogen. Oft sieht die Realität aber anders aus. Wir haben nie entschieden: «So, jetzt gründen wir eine Manufaktur.» Sondern mein Bruder Claudio, der privat leidenschaftlicher Bäcker war, hat nach seinem Geschichtsstudium über eine längere Zeit eine Stelle im Museum gesucht. Während der Suche hatte er viel Zeit zum Backen und ist dabei auch auf eine Sammlung von Holzformen gestossen, sogenannte Model, mit denen man Biber herstellt. Er hat sich eingelesen und sich bei einem befreundeten Bäcker ein Praktikum organisiert. Irgendwann war dann klar, dass seine Biber besser ankamen als seine Bewerbungen. Ich wollte ihm unter die Arme greifen und ihn dabei unterstützen, die Biber zu verkaufen. Praktischerweise konnte ich direkt Erlerntes aus dem Studium anwenden, was für mich spannend war. Unsere Schwester Petra hat uns immer wieder geholfen und ist etwas später dann auch in die Manufaktur eingestiegen. Sie hat uns in der Organisation, im Verkauf und im Marketing unterstützt. Aber die Arbeit, die noch auf uns zukommen würde, war uns damals nicht bewusst – wir haben «einfach mal gemacht».

Welchen Herausforderungen saht ihr euch als Unternehmen und auch als Team resp. Familie gegenüber?

Herausforderungen gibt es immer. Wir haben uns nicht abschrecken lassen, Neues zu versuchen, da das in unserer Erfahrung oft der Schlüssel zum Erfolg ist. Ein Beispiel: Wir haben von Anfang an besonders hochwertige Rohstoffe verwendet, etwa Zürcher Oberländer Waldhonig oder Zürcher Unterländer Bio-Dinkelmehl. Der Biber musste deshalb teurer werden, um die Kosten zu decken. Auch dass wir auf Handwerk setzten – als einzige Biber-Bäckerei stellen wir unsere eigenen Holzmodelle her – war riskant. Doch wir vertrauten darauf, dass wir Kunden finden, die diese Qualität zu schätzen wissen. Und wir behielten Recht. Ein anderes Beispiel ist unser veganer Biber. Schon 2013 haben wir damit begonnen, unser Sortiment auf ein pflanzliches Angebot umzustellen. Das war damals für Bäckereien sehr ungewöhnlich. Milch, Butter und Ei waren – so die Branchenmeinung – für viele Rezepte zwingend nötig. Nach und nach konnten wir aber mit viel Tüfteln einen tierischen Rohstoff nach dem anderen ersetzen. Zuletzt das Ei mit einem Produkt, das wir heute unter der Marke «EggField» verkaufen. Damit gelingt es uns, mit unseren Produkten einen geringeren ökologischen Fussabdruck zu erzielen als mit tierischen Zutaten. Zudem haben wir dieser frühen Erfahrung auch eine etablierte Kundenbasis zu verdanken, die unsere Produkte schon kennenlernte, noch bevor man marktweit in rein pflanzliche Produkte investierte. Einzig den Honig haben wir als tierische Zutat im Betrieb behalten.

Inwiefern konnte dir das Wirtschaftsstudium beim Aufbau der Firma helfen?

Das Studium bot mir die Möglichkeit, Erlerntes direkt umzusetzen. Buchhaltung und Finanzen sind gute Beispiele dafür. Aber auch in Semesterarbeiten konnte ich immer wieder Themen aufgreifen, die für die Leibacher Biber-Manufaktur in der Praxis hilfreich waren. Deshalb habe ich auch meine Bachelorarbeit zum Thema "Erfolgsfaktoren von jungen Lebensmittelfirmen" verfasst. Ausserdem hatte ich großartige Dozenten. Einer meiner Professoren für «Operations» hat uns geholfen, die verschiedenen Bibergrössen so aufzubauen, dass wir weniger Arbeitsschritte zum Produzieren brauchten. Ein anderer – unser Marketingdozent – hat dafür gesorgt, dass eines Nachmittags plötzlich der Direktor von Zürich Tourismus, Martin Sturzenegger, bei uns in der Backstube stand (die damals noch im Keller meines Elternhauses war) und wir ihm unser Handwerk zeigen durften. Die ZHAW SML war auch Kundin erster Stunde und hat uns von Anfang an mit Biber-Bestellungen für die Weihnachtsgeschenke unterstützt und tut das auch heute noch. Dafür sind wir dem Marketing-Team (unter anderem Judith-Rahel Seitz, Dorit Hirsch und Christina Baur, aber noch viele andere mehr) wirklich sehr dankbar. Als Kundin hat die ZHAW deshalb für uns auch heute noch eine sehr spezielle Bedeutung und Priorität Eins.

Seid ihr euch eures Erfolgs bewusst? Eure Biber lassen sich mittlerweile in Geschäften in der ganzen Schweiz kaufen.

So eine schöne Frage – die wurde mir so noch nie gestellt. Tatsächlich haben wir oft die Tendenz, schon auf den nächsten und übernächsten Schritt zu schauen. Dabei vergisst man Meilensteine, die bereits hinter einem liegen. Über die Jahre sind wir aber auch darin besser geworden und haben gelernt: Erfolge zu feiern ist wichtig. Wenn man sie mit Geschwistern feiern kann, umso mehr. Damit etwas Erfolg hat, müssen immer verschiedene Dinge zusammenkommen: Unsere Eltern haben uns bei der Umsetzung der Biber-Manufaktur immer sehr unterstützt. Wir haben auch ein grossartiges Team mit vielen langjährigen Mitarbeitern, denen wir viel zu verdanken haben. Und das Wichtigste sind natürlich alle Kundinnen und Kunden, die unsere Produkte kaufen und uns so unterstützen.

Ihr habt auch die Möglichkeit, eigene Stempel für die Biber herzustellen. Welche sind die aussergewöhnlichsten, die ihr produziert habt?

Für diese sogenannten Model schnitzt Claudio verschiedene Motive direkt in Birnbaumholz, das dann zum Backen verwendet werden kann. So bieten wir Firmenkunden oder für Hochzeiten und Geburtstage Biber mit individuellen Motiven an. Wir haben zum Beispiel für Swisstopo, ein Unternehmen, das die Schweiz kartiert, ein Model mit dem Relief der Schweiz hergestellt. Dieses Projekt war eines der anspruchsvollsten, denn die geübten Augen der Geografen konnten leicht ein fehlendes Tal oder eine falsche Landesgrenze erkennen. Das Handwerk des Schnitzens solcher Model ist nahezu ausgestorben. Neben meinem Bruder ist nur noch ein Schnitzer in Appenzell auf das Handwerk des Modelns spezialisiert. Aus diesem Grund ist es uns auch ein Anliegen, diese Tradition aufrechtzuerhalten. Es geht um Schweizer Kulturgut – wenn es niemand mehr pflegt, ist es unwiederbringlich verloren. Wir versuchen deshalb, das Handwerk möglichst vielen Menschen näherzubringen, indem wir Biber-Kurse anbieten oder bei Ferienplauschs für Schulkinder mitmachen. Bei den Kindern scheinen die Backwaren zumindest gut anzukommen. Jeden Montagabend dürfen sie bei uns vorbeischauen und ein nicht ganz perfektes «Ausschuss»-Biberli mitnehmen, wenn wir welche haben. Wer weiss, vielleicht entschliesst sich ja eines davon, dieses Handwerk eines Tages selbst zu lernen.

Es bringt nicht viel, wenn man alles im Detail vorplant, komplexe Konstrukte auf die Beine stellt und sich letztendlich nicht traut, sie umzusetzen. Oft gibt es keine perfekten Lösungen. Deshalb ist es wichtig, dass wir nicht an unseren eigenen oder fremden Perfektionsansprüchen scheitern, sondern ins Tun kommen und nicht nur «im Kopf bleiben».

 

Wenn du in die Zukunft blickst, wo siehst du dich beruflich in 10 Jahren?

Sicher möchte ich noch immer unternehmerisch tätig sein. Neben der Leibacher Biber-Manufaktur habe ich vor drei Jahren mit EggField ein weiteres Unternehmen mitgegründet und auch einige Seitenprojekte gestartet. Wichtig sind mir bei EggField und der Leibacher Biber-Manufaktur gesundes, sinnvolles und nachhaltiges Wachstum. Ich möchte zeigen, dass die Produktion umweltverträglicher Produkte wirtschaftlich möglich ist und Kundinnen und Kunden begeistern kann. Wichtig sind mir auch immer die Menschen – ich schätze es, mit Personen zusammenzuarbeiten, die mir etwas bedeuten und mit denen ich gerne Zeit verbringe.

Welche Worte möchtest du den Lesern mit auf den Weg geben, von denen eventuell auch einige eine eigene Manufaktur oder ein Unternehmen auf die Beine stellen wollen?

Drei Punkte sind in meinen Augen besonders wichtig für den Aufbau eines Unternehmens. Erstens: Ein Unternehmen aufzubauen ist wie eine lange Reise. Und eine lange Reise ist immer besser, wenn man sie mindestens zu zweit macht. Zusammen ist es schöner, diesen Weg zu bestreiten, Niederlagen zu verdauen und Erfolge zu feiern. Ein Sprichwort auf Englisch sagt: «If you want to go fast, go alone. If you want to go far, go together.» Zweiter Punkt: «Einfach mal machen». Es bringt nicht viel, wenn man alles im Detail vorplant, komplexe Konstrukte auf die Beine stellt und sich letztendlich nicht traut, sie umzusetzen. Oft gibt es keine perfekten Lösungen. Deshalb ist es wichtig, dass wir nicht an unseren eigenen oder fremden Perfektionsansprüchen scheitern, sondern ins Tun kommen und nicht nur «im Kopf bleiben». Und drittens meine ich: Mit der Klimaerwärmung leben wir in einer herausfordernden Zeit, die neue Lösungen braucht. Es ist an uns, im Kleinen wie im Grossen dabei mitzuhelfen, die Herausforderungen unserer Generation mitzugestalten. Mit der Entscheidung, wofür wir unsere Lebensenergie und -Lebenszeit – die «Essenz des Machens» – zur Verfügung stellen, entscheiden wir auch darüber, in welche Art Zukunft wir investieren. Egal ob wir ein eigenes Unternehmen aufbauen oder unsere Zeit jemand anderem widmen: Es ist an uns allen, zu prüfen, für und mit welchen Organisationen, Firmen und Menschen wir arbeiten möchten, welche Projekte wir auf den Weg bringen und wie diese dazu beitragen, unsere Lebensräume zu erhalten.