Female Leadership und Unternehmertum im Kulturbereich: Interview #2 mit Bettina Durrer
Im zweiten Interview unserer Reihe zu «Female Leadership und Unternehmertum im Kulturbereich» haben wir mit Bettina Durrer, Gesamtleiterin und Verwaltungsdirektorin der Theater Winterthur AG gesprochen. Sie erzählt, wie sich ihre Führungsaufgaben bei ihrem Wechsel vom Bund zu einem KMU in der Kulturbranche verändert haben, was aus ihrer Sicht eine gute Führungsperson ausmacht und welche Frauen sie inspirieren und geprägt haben.
Bettina Durrer ist seit November 2019 Gesamtleiterin und Verwaltungsdirektorin der Theater Winterthur AG. Sie studierte Geschichte und Politische Wissenschaften in Zürich und Heidelberg. Nach dem Studium arbeitete sie für die Städtischen Werke Luzern und leitete nach dessen Umwandlung in eine AG die Kommunikation und Unternehmensentwicklung. 2005 wechselte sie ans Institut für Kommunikation und Marketing der Hochschule Luzern und verantwortete die Bereiche Aus- und Weiterbildung, Forschung und Dienstleistungen. Im 2012 nahm sie eine neue Herausforderung an im Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz. Sie war als Mitglied der GL verantwortlich für die Bereiche Strategie, Führungsinstrumente, Kundenbeziehungen, Distribution/Öffentlichkeitsarbeit, Politische Geschäfte und Internationale Zusammenarbeit. Bettina Durrer verfügt über ein Nachdiplomstudium in BWL/Unternehmensentwicklung und einen Nachdiplomkurs in Verwaltungswissenschaften.
(Foto: Luis Hartl)
Vor eineinhalb Jahren haben Sie die Gesamtleitung des Theater Winterthur übernommen. Mit dem Antritt dieser Stelle haben Sie in die Kulturbranche gewechselt. Was waren Ihre Beweggründe für den Branchenwechsel?
Ich wurde 50 und hatte Lust, etwas Neues anzufangen. Nochmals einen Branchenwechsel und Quereinstieg zu wagen, das fand ich reizvoll. Kultur hat mich privat zudem immer fasziniert und gepackt. Am Theater Winterthur kann ich mein berufliches Engagement mit meiner privaten Leidenschaft verbinden. Jetzt gehört es zu meinen «Pflichten», ins Theater, die Oper oder eine Tanzvorstellung zu gehen – ein wahres Privileg. Motiviert für die neue Aufgabe hat mich aber auch, dass das Theater Winterthur vor knapp zwei Jahren in eine Aktiengesellschaft im Besitz der Stadt umgewandelt wurde. Neue Strukturen aufzubauen, eine Institution zu leiten, an der Politik und Öffentlichkeit besonders interessiert sind und Entwicklungen zu initiieren – das gefällt mir.
Davor waren Sie bereits viele Jahre in Führungspositionen tätig. Welche Parallelen und Unterschiede zu Ihren früheren Tätigkeiten haben Sie nach dem Branchenwechsel bezüglich Führungsaufgaben und Leadership festgestellt?
In der Führung geht es immer um die Zusammenarbeit mit Menschen. Ob es «geigt» oder schwierig ist, hängt von der Situation und den Persönlichkeiten ab, nicht von der Branche. Auch die Grösse ist entscheidend. Vorher war ich beim Bund; einer grossen Organisation mit vielen Spezialisten, klar vorgegebenen Abläufen und ausdifferenzierten Führungsinstrumenten. Ich konnte und musste viel mehr delegieren. Nun leite ich ein KMU; ich bin als Generalistin gefragt und habe von A bis Z mehr Gestaltungsspielraum. Ich beschäftige mich mit Strategie und Finanzen, aber auch mit Kurzarbeits-Formularen und dem Blumenschmuck im Foyer. Die Kultur am Theater Winterthur ist direkt und pragmatisch, aber auch intuitiver und spontaner. Das verlangt von mir eine andere Herangehensweise. Am Theater bin ich zudem die oberste Chefin, von meinen Entscheiden und von meinen Moderations- und Führungsfähigkeiten hängt es ab, wie wir die Dinge angehen und ob wir das Richtige zur rechten Zeit tun. Natürlich entscheidet der Verwaltungsrat die grossen Linien, aber den Alltag präge ich. Diese neue Rolle und Gestaltungsmöglichkeit gefällt mir.
Hat sich Ihr Führungsstil über die Jahre verändert?
Er ist lockerer geworden. Die über 20-jährige Erfahrung gibt mir viel Sicherheit. Ich suche schneller die Aussprache, kann Konflikte besser verdauen, schenke mehr Freiheiten und gehe schwierige Situationen mit mehr Ruhe an. Ich vertraue auch mehr auf die Zeit und dass es manchmal längere Prozesse und «Schlaufen» braucht, bevor etwas Neues greift. Im Kern handle ich jedoch gleich: mit Respekt und Interesse fürs Gegenüber, mit Beharrlichkeit und geprägt vom Wunsch, im Konsens etwas zu erreichen.
Was macht für Sie persönlich eine/n gute/n «Leader/in» aus?
Klarheit, Präsenz, Transparenz und Respekt für das Gegenüber. Die Fähigkeit klar zu kommunizieren und gut zu repräsentieren. Optimismus und der Drang etwas zu bewegen. Es braucht aber auch die Fähigkeit, sich zurückzunehmen, anderen Raum zu lassen und verschiedene Kompetenzen für das gemeinsame Ziel zu bündeln. Ich halte nichts von einer «One-Man- oder einer One-Woman-Show». Und wenn ein Chef oder eine Chefin Humor hat, dann umso besser.
Was raten Sie jungen Frauen, die sich für eine Karriere im Kulturmanagement interessieren? Gibt es einen Ratschlag, den Sie selbst gerne bekommen hätten?
Es ist eine Chance, sich stark mit seinem Job zu identifizieren und sich in einem kreativen Umfeld zu entfalten. Das verlangt umgekehrt eine gute Balance zwischen Einsatz und der Fähigkeit, sich abzugrenzen und abzuschalten. Wer eine Führungsposition will, soll es wagen und dranbleiben und auch mal Zähne zeigen.
Visionär wäre gewesen, wenn mir jemand vor zwei Jahren geraten hätte, erst nach der Corona-Krise in die Kultur einzusteigen…
Welche Frauen inspirieren Sie?
Ich habe von verschiedenen Frauen (aber auch Männern) gelernt. Während meines Studiums habe ich ein Praktikum in einer KZ-Gedenkstätte in Deutschland gemacht. Dort hat mich die Leiterin, Sigrid Jacobeit, stark ermuntert, ein Thema aus der KZ-Geschichte für meine Masterarbeit weiterzuverfolgen. Sie hat mir Türen geöffnet und eine tolle Vernetzungs- und Öffentlichkeitsarbeit gemacht. Geprägt hat mich auch meine zweite Chefin, Sabine Jaggy von der Hochschule Luzern. Sie hat mir imponiert durch ihre raschen Entscheide, ihre Zielstrebigkeit und ihre Fähigkeit, Aufgaben und Projekte wieder loszulassen und ihr Portfolio neu zu sortieren. Gelernt habe ich aber auch von vielen Kolleginnen, zum Beispiel von Helene Sidler, der HR-Verantwortlichen direkt nach meinem Berufseinstieg. Beeindruckt hat mich vor Kurzem die Zürcher Regierungsrätin Jacqueline Fehr in einer Talk-Sendung zu Unterstützungsmassnahmen für Kulturschaffende. Sie hat dem Gespräch ihren Stempel aufgedrückt mit klaren Aussagen, neuen Sichten auf politische Themen, aber auch ihrer Wertschätzung für die Teamarbeit in ihrer Direktion. Und wenn man an «Global Leaders» denkt: Einfach perfekt, trotzdem nahbar, unglaublich clever und humorvoll finde ich Michelle Obama.
Das ZKM-Team bedankt sich herzlich für das Interview!
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