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School of Management and Law

Rückblick Kulturfundraising-Tagung 2024

Die Probebühne des Luzerner Theaters im Krienser Südpol bot den inspirierenden Rahmen für die vierte Kulturfundraising-Tagung 2024. Tagungsbericht von Severin Hosang

Veranstaltet vom Zentrum für Kulturmanagement der ZHAW in Zusammenarbeit mit Swissfundraising, stand in diesem Jahr die Transformation als Impulsgeberin für eine zukunftsfähige Finanzierung im Mittelpunkt. Am Nachmittag des 13. November versammelten sich über 60 Teilnehmende, um hochkarätigen Vorträgen und spannenden Praxisbeispielen aus etablierten Institutionen und der freien Szene zu folgen.

Ein zentraler Aspekt der Veranstaltung war zudem die Vernetzung und Beziehungspflege unter den anwesenden Fundraiser:innen aus der ganzen Schweiz. Diese gelebte und auf verschiedenen Ebenen gepflegte «Gemeinschaft» prägte den inspirierenden Nachmittag im Luzerner Theater und bildete die inhaltliche Leitlinie der Tagung.

«We don’t buy stars, we make them»

Als Gastgeberin begrüsste Ina Karr, seit 2021 Intendantin des Luzerner Theaters, die Teilnehmenden mit einem inhaltlichen Überblick über die aktuelle Situation und die Herausforderungen des Hauses. Das Luzerner Theater ist ein zentraler Bestandteil des Stadtmarketings und leistet einen wichtigen Beitrag zum weichen Standortfaktor «Lebensqualität». Als eines der bedeutendsten produzierenden Mehrspartenhäuser der Schweiz beschäftigt es über 400 Mitarbeitende in unterschiedlichsten Berufen und ist zugleich ein Ort der Aus-, Weiter- und ausserschulischen Bildung.

Die Leitlinie «We don’t buy stars, we make them» spiegelt die Vision des Theaters wider und betont dessen gesellschaftlichen Auftrag: Neben einer hohen künstlerischen Qualität steht das Luzerner Theater für Nachwuchsförderung und für ein Angebot, das alle Generationen erreicht und in die Stadtgesellschaft hineinwirkt.

Wie viele grössere Kultureinrichtungen steht auch das Luzerner Theater vor der Herausforderung, dass der künstlerische Betrieb – trotz der gesicherten Struktur durch öffentliche Subventionen – zu einem wesentlichen Teil aus Eigenerträgen und Drittmitteln finanziert werden muss. Besonders im Bereich des Musiktheaters zeigt sich eine spezifische Herausforderung: Die langfristige Planung erfolgt zunächst ohne gesicherte Finanzierung, was der klassischen ökonomischen Logik widerspricht.

Die Zukunft des Luzerner Theaters wird derzeit intensiv in der Stadt diskutiert. Gemeinsam mit der Stiftung Luzerner Theater treibt die Stadt das Bauprojekt «Neues Luzerner Theater» voran. Ziel ist es, die Infrastruktur zwischen Kapellbrücke und Jesuitenkirche am Ufer der Reuss umfassend zu sanieren, zu erweitern und für die Anforderungen eines Musiktheaters im 21. Jahrhundert zu modernisieren.

Die Sparte «Jung» als Fluch und Chance fürs Fundraising

Theater für alle – von Anfang an. Nach diesem Leitsatz gründete das Luzerner Theater 2021 neben den Sparten Oper, Tanz und Schauspiel die neue Sparte «Jung», das Kinder- und Jugendtheater. Theresa Ackermann, Leiterin Sponsoring & Fundraising am Luzerner Theater, präsentierte mit Leidenschaft und Überzeugung ihren Case for Support für dieses innovative Vorhaben.

Die Ausgangslage: Eine eigentlich erfreuliche Situation. Die Angebote des Theaters für die jüngste Zielgruppe ab 3 Monaten erfreuen sich einer derart hohen Nachfrage, dass sie regelrecht überrannt werden. Ein zentraler Grund dafür ist die Leistungsvereinbarung mit dem Kanton Luzern, die festlegt, dass jede Schülerin und jeder Schüler des Kantons Luzern während der obligatorischen Schulzeit mindestens zweimal ein Angebot des Luzerner Theaters wahrnehmen.

Die neue Sparte «Jung» bietet eine besondere Herausforderung, aber auch eine einzigartige Chance: Programme von Anfang an für alle zu gestalten. Dabei verfolgt das Luzerner Theater den Ansatz, nicht einfach bestehende Stücke für ein junges Publikum zu vereinfachen, sondern gezielt eigene Stoffe zu entwickeln, die auf die Bedürfnisse und Lebenswelten dieser Zielgruppe abgestimmt sind. Ergänzend dazu wurden Vermittlungsangebote ausgebaut, etwa durch Vorstellungen in Klassenzimmern, ein erweitertes Vermittlungsteam, ein Familienabo sowie Partizipationsprojekte wie ein Theaterjugendchor, ein Jugendorchester und ein Expert:innen-Programm für Teenager.

Ein Beispiel für die Vision dieser neuen Sparte ist das Auftragswerk «Lost Violet», basierend auf Giuseppe Verdis «La Traviata». Dieses Stück wurde speziell für das junge Publikum konzipiert, spiegelte ihre Lebensrealität wider und schuf eine Begegnung auf Augenhöhe. Obwohl diese Zielgruppe finanziell weniger einbringt, bietet das Kinder- und Jugendtheater eine einzigartige Positionierung im Fundraising: Es schafft ein Angebot, das in der Zentralschweiz keine andere Institution bietet, hat einen hohen gesellschaftlichen Impact und stärkt die interne Zusammenarbeit. Die Auseinandersetzung mit Finanzierungsthemen wurde von allen Abteilungen getragen und floss in die Konzeption der neuen Sparte ein. Das Motto der Gemeinschaft als kultureller Auftrag wird im Luzerner Theater durch die neue Sparte «Jung» eindrucksvoll gelebt.

Das Künstlerische und das Fundraising-Hirn des GAIA Musikfestivals

Einen spannenden Einblick in die freie Kulturszene gab die Geigerin und Kulturmanagerin Gwendolyn Masin. In ihrem Praxisvortrag teilte sie ihren beeindruckenden Werdegang: von einem Wunderkind an der Violine bis zur Geschäftsführerin eines bedeutenden Kammermusikfestivals im Kanton Bern. Die Suche nach Gemeinschaft in der Kammermusik führte schliesslich zur Gründung des GAIA Musikfestivals in der Schweiz.

Wie so oft begann alles mit viel Freiwilligenarbeit, um das Festival im ersten Jahr auf die Beine zu stellen. Doch Masin stellte sich eine entscheidende Frage: „Wenn meine Arbeit nichts kostet, ist sie dann überhaupt etwas wert?“ Die Antwort führte sie dazu, ein systematisches Fundraising aufzubauen, das von Partnerschaften mit Stiftungen und Unternehmen bis hin zum Freundeskreis „Gwendolyn’s Bridge Club“ reicht. Besonders bemerkenswert: Einige Stiftungen, die GAIA bereits bei der ersten Ausgabe des Festivals unterstützten, sind bis heute treue Förderer. Masin betonte, dass dieser Erfolg das Ergebnis eines langfristigen Beziehungsaufbaus ist – ein zentraler Punkt ihrer Arbeit, den sie anschaulich erläuterte.

Die Verbindung zum Publikum, die Schaffung von Verbindungen und Netzwerken sieht Masin nach wie vor als ihre grösste Herausforderung und zugleich als wertvollste Erkenntnis: Kunst darf nicht mehr elitär im Elfenbeinturm existieren. Sie muss die Lebensrealität der Menschen spiegeln, auf Augenhöhe stattfinden und im Dialog stehen – als Teil einer lebendigen Gemeinschaft.

Ein weiteres wichtiges Learning: Jeder Moment und jede Begegnung bieten eine Chance fürs Fundraising. Vielleicht hat Gwendolyn Masin diese Gelegenheit ja auch bei den Teilnehmenden der Kulturfundraising-Tagung genutzt? 

«Art first» - Entmythifizierung des Fundraisings

Im Gespräch mit Tagungsmoderator Peter Haerle erhielten die Teilnehmenden als nächstes einen exklusiven Einblick in die Aktivitäten eines der renommiertesten Schweizer Klassik-Festivals und eines «Swiss Top Event». Michael Haefliger, der seit über 20 Jahren als Intendant das Gesicht des Lucerne Festivals prägt, gewährte einen Blick hinter die Kulissen. Mit einem jährlichen Budget von rund 20 Millionen CHF und einem beeindruckenden Eigenfinanzierungsgrad von 90 % gilt das Lucerne Festival als Vorzeigemodell für gelungenes Kulturfundraising.

Trotz dieser hohen Eigenwirtschaftlichkeit stellt Haefliger klar: „Art first“ – die künstlerische Vision bestimmt die Programmgestaltung des Festivals, und die Finanzierungsstrategie orientiert sich an diesem konkreten Programm. Dieses ist beim Lucerne Festival vielfältig. Im Zentrum steht das hauseigene Lucerne Festival Orchestra, das aus weltweit führenden Orchestermusiker:innen zusammengesetzt ist. Ebenso beeindruckend sind die jährliche «Orchesterparade» und die Gastspiele der bedeutendsten Orchestern, darunter die Berliner und Wiener Philharmoniker. Das Lucerne Festival setzt zudem einen klaren Fokus auf die Förderung zeitgenössischer Musik sowie die Nachwuchsarbeit. Ein Beispiel hierfür ist die Lucerne Festival Contemporary Academy, die Nachwuchs-Musiker:innen und -Dirigent:innen unterstützt.

Um all dies zu realisieren – sprich: zu finanzieren – setzt Haefliger auf langfristige Beziehungen zu Geldgeber:innen. Für ihn sind harte Arbeit, gute Ideen und echtes Interesse an Menschen entscheidend. Wenn man dieses «feu sacré» auf beiden Seiten einer Partnerschaft spürt, wird Fundraising in einer Kulturorganisation praktisch entmythologisiert, und es wird zu einer Selbstverständlichkeit.

Zum Abschluss ermutigte der Intendant des Lucerne Festivals das Publikum, nicht verunsichert in die Zukunft zu blicken, sondern die Herausforderungen mit Selbstvertrauen anzupacken.

Gemeinschaft und Leidenschaft als Basis erfolgreicher Finanzierungsstrategien

Die abschliessende Podiumsdiskussion mit allen Referent:innen des Nachmittags fasste die bisherigen Argumente zusammen. Einig war man sich vor allem darüber, dass erfolgreiche Kulturfinanzierung nur durch ein grosses persönliches Engagement, insbesondere auf der Ebene der Intendant:innen und Geschäftsführer:innen, möglich ist. Beziehungen müssen langfristig aufgebaut werden, damit sie für beide Seiten einer Partnerschaft nachhaltig Mehrwert schaffen können. Das Publikum muss nachhaltig und langfristig gebunden werden können – Gemeinschaft auf allen Online- und Offline-Kanälen bildet gewissermassen die Grundlage für erfolgreiche Fundraising-Arbeit. In Zeiten volatiler politischer Rahmenbedingungen und gesellschaftlicher Verwerfungen wird die Bedeutung des Fundraisings für den Kulturbetrieb weiter steigen. Langweilig wird es den anwesenden Kulturfundraiser:innen künftig also ganz sicher nicht…

 

Das Zentrum für Kulturmanagement dankt Severin herzlich für diesen spannenden Bericht zur vierten Kulturfundraising-Tagung 2024 und Swissfundraising für das zur Verfügungstellen der Fotos von Alex Preobrajenski!

 

Severin Hosang

Severin Hosang ist Leiter Sponsoring & Fundraising am Musikkollegium Winterthur und Student im MAS Fundraising Management am Zentrum für Kulturmanagement.