Vorgestellt: Alexander Keil, Dozent WBK Zukunftsfähige Kulturorganisationen
Im Rahmen der «Vorgestellt-Reihe» haben wir uns mit Alexander Keil, Dozent des neuen Weiterbildungskurses «Zukunftsfähige Kulturorganisationen», unterhalten. Im Interview erzählt er unter anderem, wie Kulturorganisationen durch einen erfolgreichen Transformationsprozess geleitet werden können.
Alexander Keil (Jahrgang 1982) hat Szenische Künste an der Universität Hildesheim, Musiktheaterregie an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg und Kommunikation und Kulturmanagement an der Universität in Friedrichshafen studiert. Er bringt viel Erfahrung sowohl auf künstlerischer Seite als Regisseur, Dramaturg und künstlerischer Leiter wie auch auf betrieblicher Seite mit. Er arbeitete u.a. für das Staatsschauspiel Dresden und die Bayreuther Festspiele, leitete die Sonderveranstaltungen am Schauspielhaus Zürich und war von 2015–2020 Geschäftsführer der Zürcher Festspiele. Heute arbeitet er bei Metaplan und berät dort insbesondere Kulturverwaltungen und Kulturinstitutionen zu Fragen der Strategieentwicklung und Reorganisation. Alexander Keil wohnt in Winterthur.
Alexander Keil, Sie unterrichten im neuen Weiterbildungskurs Zukunftsfähige Kulturorganisationen am Zentrum für Kulturmanagement. In dem Kurs geht es um die erfolgreiche Gestaltung von Transformationsprozessen in der Kultur. Warum sollten sich Kulturorganisationen mit diesem Thema befassen?
Kulturinstitutionen müssen sich, so wie alle anderen grossen gesellschaftlichen Institutionen auch, regelmässig die Relevanzfrage stellen. Sie antworten damit unmittelbar auf die gesellschaftlichen Entwicklungen. Welchen Beitrag leisten sie in unserer Gesellschaft? Wie reflektiert ihr Tun unsere gesellschaftlichen Entwicklungen? Mit der Beantwortung dieser strategischen Zukunftsfragen sind natürlich eng die Gestaltung des künstlerischen Profils und des Programms eines Hauses verbunden. Zugleich betreffen diese Fragen aber auch die Strukturen von Kulturinstitutionen, d.h. die ihre organisationale Verfasstheit mit Blick auf Abstimmungs- und Verständigungsprozesse (Wer muss sich zu einem Thema abstimmen?), Hierarchien (Wo wird entschieden?) oder Personal (Wer wird eingestellt?). Im Weiterbildungskurs „Zukunftsfähige Kulturorganisationen“ fokussieren wir auf das organisationssoziologische Handwerkszeug, um Kulturorganisationen und ihre Strukturen zu analysieren und zu überlegen, wie man diese im Sinne zukunftsfähiger Strategien verändern kann.
Sie sind in der Strategie- und Organisationsberatung für unterschiedliche Kulturinstitutionen tätig, waren selbst viele Jahre in Führungsverantwortung in der Kultur und haben im Rahmen der Covid-19-Fördermassnahmen das Team Transformationsprojekte des Kanton Zürich geleitet. Wie können Kulturorganisationen effizient und erfolgreich durch einen Transformationsprozess geleitet werden?
Veränderung in Organisationen kann vor allem dann erfolgreich in Gang gesetzt werden, wenn die Verständigung der Akteur:innen innerhalb des Transformationsprozesses gelingt. Das bedeutet nicht, dass immer alle über alles miteinander diskutieren und gemeinsam entscheiden müssen. Es ist wichtig, sich vor und während des Prozesses genau zu überlegen: Wen will man zu welchem Zeitpunkt in diesen Diskurs einbinden? Welche Stimmen von aussen braucht es allenfalls? Wer kennt das Haus und dessen Eigenheiten besonders gut? Wann teilt man Zwischenergebnisse und reflektiert diese im grösseren Rahmen? Grundvoraussetzung für das Gelingen eines erfolgreichen Veränderungsdiskurses ist es, die Bedürfnisse von Akteur:innen und deren unterschiedlichen Interessen zu kennen zu berücksichtigen.
Welche Rolle spielen in diesen internen Transformationsprozessen Themen wie Diversität und Teilhabe, Nachhaltigkeit sowie Fragen der Finanzierung?
Die genannten drei Themenfelder berühren einige der Fundamentalfragen von Kulturorganisationen momentan. Leitungen von Kulturinstitutionen sind dafür verantwortlich, die Beantwortung dieser Fragen massgeblich voranzutreiben und zu moderieren. Zum Thema Diversität und Teilhabe, stellt sich die Frage, wem die Kulturorganisationen letztlich gehören und wie es gelingen kann, ihre Strukturen so zu entwerfen, dass diese Häuser tatsächlich anregende Diskurs- und künstlerische Erfahrungsorte für eine vielfältige Gesellschaft sind. Das Thema der Nachhaltigkeit zielt u. a. ab auf die Etablierung ressourcenschonender Produktionsweisen, die Sicherung der Wirksamkeit des eigenen Tuns für die Zielgruppen auch über den Besuch einer einzelnen Veranstaltung hinaus oder die Gestaltung fairer Anstellungs- und Arbeitsbedingungen. Und klar, Leitungen tragen dafür Verantwortung, die Finanzierung einer Kulturinstitution sicherzustellen und dabei immer wieder auch kreative Wege zu gehen. Die drei Themen erscheinen deswegen als besonders aktuell, weil sie neuere gesellschaftliche Entwicklungen mit der bisherigen organisationalen Verfasstheit der Kulturinstitutionen konfrontieren. Egal, wie man sich im Detail zu diesen Themen positioniert, sind die Organisationsstrukturen der grösste Hebel, um Veränderungen voranzubringen
Sie sind sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland beratend für namhafte Organisationen wie z.B. die Intendant:innengruppe des Deutschen Bühnenvereins, das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, die Abteilung Kultur der Stadt Zürich oder das Migros Museum für Gegenwartskunst tätig und befassen sich mit Fragen der Organisationstrategie und -struktur in Kulturbetrieben. Welches Fazit ziehen Sie aus der Beratung dieser Organisationen und gab es Best Practices, die sie besonders beeindruckt haben?
Jede Kulturlandschaft und jede Kulturinstitution haben ihre spezifischen Ausprägungen. Es scheint mir in Zukunft wichtig zu sein, diese Besonderheiten, die sich z. B. aus der Geschichte einer Organisation, aus einer Konstellation engagierter Stakeholder:innen oder auch aus einem ganz spezifischen thematischen Interesse ergeben, herauszuarbeiten und zu pflegen. Sie sorgen für Erkennbarkeit gegenüber dem Publikum. Und ja, natürlich gibt es Best Practices an allen Orten. Die entscheidende Frage ist jedoch: Lösen diese Lösungen die Probleme, die sich in der eigenen Institution stellen?
In einer Zeit, die sowohl durch Krisen als auch durch den rasanten technologischen Fortschritt u. a. durch KI, geprägt ist, treibt viele Kulturorganisationen die Frage um, wie sie zukunftsfähig bleiben können. Was braucht es Ihrer Meinung nach in einer Organisation dazu und welche Empfehlungen würden Sie insbesondere kleineren Kulturbetrieben geben?
Aus meiner Sicht sollten sich Kunst- und Kulturinstitutionen in regelmässigen Abständen mit den ganz grundsätzlichen Fragen beschäftigen: Was hat sich in unserer unmittelbaren und weiteren Umwelt mit Blick auf unsere Arbeit verändert? Was nehmen wir uns in den kommenden Jahren vor? Was wollen wir nicht (mehr) machen? Was halten wir bewusst noch offen, weil wir noch experimentieren oder vertiefter nachdenken wollen? Auf diese Weise kann man sicherstellen, dass das, was man tut, systematisch aktuelle und künftige gesellschaftliche Fragen reflektiert. Zugleich sorgt man dafür, dass sich ein Team aufeinander einschwören, tiefer eindenken und auf gemeinsame strategische Ziele hinarbeiten kann. Diese Fragen helfen unabhängig von der Grösse einer Kulturinstitution dabei, sich an der Umwelt auszurichten, eigene Standpunkte zu formulieren. Und sie sorgen dafür, dass man die vorhandene Kapazität sortiert. Was braucht es unbedingt? Wie viel können wir uns als Team zumuten?
Individuelle Beratung
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