Vorgestellt: Becky Gilbert, Dozentin CAS Fundraising Leadership
Im Rahmen der «Vorgestellt-Reihe» hat sich das Zentrum für Kulturmanagement mit der Dozentin des CAS Fundraising Leadership, Becky Gilbert, über ihre Leidenschaft für Fundraising sowie die Entwicklungen in der Branche unterhalten. Im Interview erzählt sie unter anderem von der Bedeutung internationaler Netzwerke und gibt Einblicke in die besondere Beziehung zwischen Fundraiser:innen und Verwaltungsräten.
Becky Ann Gilbert ist Director of Development bei ASSIST, der weltweit einzigen Schüleraustauschorganisation mit Stipendienvergabe für Top-US-amerikanischen Privatschulen. Seit über 20 Jahre ist sie in Leitungsfunktionen bei gemeinnützigen Organisationen in Deutschland und den USA, unter anderem dem National Endowment for the Arts, der Smithsonian Institution, dem Deutschen Museum und der European School of Management and Technology. Frau Gilbert verfügt über eine breite Expertise rund um die Themen Spendensammeln, Philanthropie, ehrenamtliches Engagement und Alumni-Arbeit. Weltweit gehört sie dem Kreis von Fundraiser:innen an, deren Leistungen durch das Certified Fund Raising Executive (CFRE) Programm ausgezeichnet werden. In Schulungen, Kursen und Veröffentlichungen gibt sie ihr Wissen weiter.
Frau Gilbert, Sie engagieren sich seit über 20 Jahren im Rahmen diverser Tätigkeiten im Fundraising und Development. Woher stammt Ihre Leidenschaft für diese Bereiche?
Die Begeisterung für die Arbeit mit gemeinnützigen Organisationen und für eine Tätigkeit im Dritten Sektor hängt sehr eng mit meiner eigenen Biografie zusammen: Ich bin in einer Kleinstadt in Wisconsin geboren. In dieser Gegend sowie in vielen anderen Regionen der USA ist das bürgerschaftliche Engagement ein wesentlicher Bestandteil des öffentlichen Lebens. Mit dem sogenannten «Mobilmachen für eine gute Sache» – egal, ob für Bildung, Kultur, Gesundheit, Sport, soziokaritative Projekte, die Umwelt, die Nachbarschaftshilfe – bin ich dort aufgewachsen. Die Tatsache, dass für recht viele dieser Aktivitäten zusätzliche Ressourcen eingeworben werden müssen, gehört ebenfalls dazu. Letzten Endes sind auf dieser Ebene Wirkung und Impact spürbar und so waren sicherlich für mich die Themen Development und Fundraising vom Anfang an eher positiv besetzt.
Umso mehr empfinde ich es heute als grosses Privileg, dass im Mittelpunkt meines Berufslebens die Förderung des Gemeinwohls steht. Jeden Tag habe ich mit Menschen zu tun, die sich freiwillig für andere engagieren und dadurch unsere Gesellschaft positiv verändern. So wird meine Leidenschaft für Development und Fundraising durch die Spender:innen, Gönner:innen und ehrenamtlich Tätigen, mit denen ich zusammenarbeiten darf, immer noch gestärkt.
In Bezug auf Fundraising und Philanthropie, welche Entwicklungen haben Sie in den letzten 20 Jahren beobachtet? Welche Prognosen können Sie für die Zukunft dieser Bereiche machen?
Häufiger denke ich, dass an sich die in der Philanthropie verankerte «allgemeine Menschenliebe» über die Jahre recht konstant geblieben ist. Die Alltagserfahrungen in «meiner» Organisation und mit den Förder:innen unserer Stipendiat:innen bekräftigen diesen Eindruck. Sicherlich hat sich der Diskurs rund um die Philanthropie auch weiterentwickelt, parallel zur Gesellschaft und begleitet durch einen immer stärker werdenden Veränderungsdruck.
Wer weiterhin Ressourcen für gemeinnützige Arbeit und eine Erweiterung der Zivilgesellschaft erschliessen möchte, muss Wege finden, um mithalten zu können – egal, ob es sich um die stark zunehmende Fokussierung auf Impact und Wirkung, Digitalisierung in allen Lebensbereichen, neue Wege in der Campaigning- und Mobilisierungsarbeit oder spannende Entwicklungen im Bereich Grossspenden-Fundraising handelt. In diesem Zusammenhang spielen auch Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt für Fundraiser:innen eine Schlüsselrolle: Fragen zur Professionalisierung, zur Spezialisierung, zur Attraktivität des Berufs sowie zur Talententwicklung stehen zurzeit an vorderster Stelle.
Seit fast 15 Jahren engagieren Sie sich für die European Fundraising Association (EFA), auch als Mitglied des Akkreditierungskomitees. Welche Bedeutung hat die EFA und warum ist es für Fundraising-Ausbildungen von Vorteil, eine solche Akkreditierung zu erlangen?
Die EFA ist einmalig. Das hängt sowohl mit der geographischen als auch mit der thematischen Breite der programmatischen Angebote zusammen. Als Netzwerk aus 18 Fundraising-Organisationen setzt sich die EFA für die Stärkung und Entwicklung des Fundraisings im europäischen Raum ein. So schafft sie auf europäischer Ebene ein Bewusstsein für Fundraising in Europa – ohne dabei die vielen Facetten und Ausprägungen der Zivilgesellschaft in Europa zu vernachlässigen. So dient die EFA als eine Plattform für die Stärkung der Arbeit auf nationaler Ebene, was ebenfalls ein grosser Gewinn für den gesamten Sektor ist.
Die EFA-Zertifizierung bietet den Mitgliedern einen Rahmen für die Entwicklung nationaler Bestimmungen in Bezug auf das Fundraising. Deren Erarbeitung basiert auf einer Reihe von Fundraising-Kernkompetenzen und führt zu klaren Richtlinien für Fundraising-Praktiken. Der Rahmen hierfür wird stets aktualisiert. Gerade diese Möglichkeit eines kultur- und grenzüberschreitenden Austauschs, die die EFA bietet, finde ich äusserst spannend und wichtig. Die Schaffung von Instrumenten für ein internationales Benchmarking und Standards für die Ausbildung von Fundraiser:innen sind meines Erachtens essenziell.
Aufgrund Ihrer internationalen Tätigkeiten kennen Sie sowohl die Fundraising-Branche in den USA wie auch diejenige in Europa. Welche Unterschiede lassen sich erkennen? Was können diese zwei Regionen voneinander lernen?
Die Unterschiede in den jeweiligen Fundraising-Branchen sind genauso zahl- und facettenreich wie die Unterschiede in den Gesellschaften selbst. Wer den Umgang der jeweiligen Regionen mit Fundraising besser verstehen möchte, fängt meines Erachtens am besten bei der Beantwortung folgender Frage an: Was gibt es für einen gesellschaftlichen Konsens, wenn es um das Verständnis von «Gemeinwohl» geht und wer trägt dafür eine Verantwortung? Klar ist: Beide Regionen blicken auf langjährige Geschichten der Philanthropie sowie ehrenhafte Kulturen des Gebens zurück.
Die Tatsache, dass das Fundraising in den USA viel weiter als in Europa verbreitet ist, hängt mit der dort vorhandener und im Vergleich viel grösserer Notwendigkeit zusammen, Ressourcen mit Hilfe von Privatquellen zu erschliessen. Gerade in Bereichen, die in Europa viel stärker von der öffentlichen Hand getragen werden, wie zum Beispiel Gesundheit, Bildung, Kunst, Kultur, ist meiner Meinung nach der Unterschied extrem... Viele Organisationen in den USA sind auf Fundraising angewiesen. Sie können es sich nicht leisten, untätig zu bleiben oder das Spendensammeln ruhen zu lassen. Dementsprechend gibt es sehr viele Personen, die Fundraising als Beruf ausüben, viele Kurse, viele Lehrgänge, viele Netzwerke. Die ehrenamtliche Mitwirkung in einem Verwaltungsrat oder Gremium ist gesellschaftlich anerkannt und geniesst hohes Ansehen, was natürlich auch das Fundraising befördert. Das alles dient als Motor für Zusammenhalt und Innovation.
Zur zweiten Frage: Die zwei Regionen können sehr viel voneinander lernen! Auf meiner «Shortlist» der Dinge, die Europa von den USA lernen könnte, steht beispielweise: Flexibilität, Anpassungsfähigkeit, mehr Freude an der Philanthropie und im Umgang mit (potenziellen) Förder:innen; mehr Wertschätzung – materiell wie ideell – für Fundraiser:innen. Die USA können anderseits von Europa in folgenden Punkten dazulernen: Mehr Reflexion und mehr Substanz im Umgang mit der Frage zu einer gerechten Rollenaufteilung zwischen Staat und Individuum; eine grössere Wertschätzung für den Schutz von Daten und Privatsphäre; eine Haltung gegenüber Förderer:innen, die stärker partnerschaftlich und weniger transaktionell geprägt ist.
Im Rahmen des CAS Fundraising Leadership am Zentrum für Kulturmanagement gehen Sie als Dozentin auf die Beziehung zwischen Fundraising und dem Verwaltungsrat einer Organisation ein. Welche Besonderheiten zeichnen diese Beziehung aus?
Aufgrund ihrer herausragenden Rolle für die Strategie und Führung von gemeinnützigen Organisationen können Verwaltungsräte sehr viel positives für das Fundraising bewirken – als Multiplikator:innen, als Vorbilder, als Gönner:innen. Dadurch wird die Gestaltung der Beziehungen und Interaktionen mit Verwaltungsräten zu einer Leadership-Aufgabe, sowohl für Fundraiser:innen im Umgang mit Vorständen als auch mit der Organisationsleitungsebene. Im CAS-Lehrgang gebe ich Anregungen für Wege, wie gegenüber Vorständen die strategische Bedeutung des Fundraising vermittelt werden kann; wie Vertrauen in das Fundraising gestiftet wird und wie Vorstände für das Fundraising überhaupt begeistert werden können. Im Mittelpunkt steht ebenfalls eine differenzierte Auseinandersetzung mit den Aufgaben eines Vorstands auf der Leitungs-, Führungs- und Vertretungsebene.
Speziell am CAS Fundraising Leadership ist die internationale Ausrichtung und die Zusammensetzung des Dozierendenteams aus verschiedenen Bereichen. Welchen Mehrwert bietet der Lehrgang für Fundraiser:innen?
Der CAS Fundraising Leadership ist eins der wenigen Programme, die internationale und bereichsübergreifende Antworten auf die Frage «Was macht gute Leaders aus?» findet. Mit Schwerpunkten wie Strategie Philanthropy, Corporate Social Responsibility, Social lnvesting, Venture Philanthropy werden die Teilnehmer:innen zu «Problemlöser:innen», die über entscheidende Management- und Führungsqualitäten verfügen. Da ich so selten auf Fundraiser:innen treffe, die nicht stark intrinsisch motiviert sind, sehe ich einen weiteren Mehrwert in der Sinnhaftigkeit des Lehrgangs. Ganz einfach: Stärken wir unsere gemeinnützigen Organisationen, so stärken wir gleichzeitig die Gesellschaft. Dabei spielen die in gemeinnützigen Organisationen tätigen Führungskräfte eine zentrale Rolle – ein weiterer starker Beleg für die Bedeutung der ZHAW und der dort angebotenen «Thought Leadership».
Das ZKM-Team bedankt sich herzlich für das Interview!
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