Vorgestellt: Prof. Dr. Martin Müller, Dozent WBK Nachhaltigkeit in der Kultur
Im Rahmen der «Vorgestellt-Reihe» hat sich das Zentrum für Kulturmanagement mit Prof. Dr. Martin Müller, Dozent des neuen Weiterbildungskurses «Nachhaltigkeit in der Kultur», unterhalten. Im Interview erzählt er unter anderem, wie Kulturorganisationen und -projekte ihre Nachhaltigkeitsstrategie ganzheitlich gestalten können.
Martin Müller ist Professor für Geografie und Nachhaltigkeit an der Universität Lausanne. Er forscht und lehrt seit 2009 zu Nachhaltigkeit im Bereich Kultur und Sport. Als trilingualer Wissenschaftler ist er regelmässig in Schweizer und internationalen Medien präsent, unter anderem im Tages-Anzeiger, der NZZ, dem Corriere del Ticino und Le Temps, aber auch im Economist, der Financial Times und der New York Times. Er hört am liebsten das erste Klavierkonzert von Brahms, spielt selbst am Klavier aber eher Pop.
Herr Müller, sie unterrichten im neuen Weiterbildungskurs WBK Nachhaltigkeit in der Kultur am Zentrum für Kulturmanagement. Welche Rolle kommt Kulturorganisationen und -projekten beim Thema Nachhaltigkeit zu?
Im Moment sind Kulturorganisationen und -projekte in einem Aufholprozess. Die Mehrheit von ihnen hat die Nachhaltigkeitswende verschlafen. Dabei hätten sie aber grosses Potenzial, als Impulsgeber grundlegend neue Sichtweisen und Handlungsoptionen für die Nachhaltigkeitstransition zu entwickeln. Dieses Potenzial muss nun gehoben werden. Genau darum geht es in meinem Input.
Sie sind der Ansicht, dass Nachhaltigkeit zur Pflicht jeder Kulturorganisation gehört. Wie kann sich diese Verpflichtung in Kulturorganisationen und -projekten praktisch manifestieren?
Diese Verpflichtung sollte sich zum einen in der Governance niederschlagen: Nachhaltigkeit sollte in den strategischen Plan jeder Kulturorganisation aufgenommen werden und konkrete Ziele sollten festgeschrieben und regelmässig überprüft werden. Über die Worte hinaus müssen dann aber Taten folgen: Es gilt Nachhaltigkeit systematisch in der Organisationskultur zu verankern und zwar über alle Einheiten hinweg. Dazu genügt es nicht, einfach eine:n Nachhaltigkeitsbeauftragte:n zu ernennen, sondern Nachhaltigkeit muss im Pflichtenheft jeder Abteilungsleitung verankert werden und Fortschritte (aber auch Rückschläge) sollten in jährlichen Berichten dokumentiert werden. Unsere Forschung zeigt, dass leider gerne viel versprochen wird, aber es an der Umsetzung hapert.
Die Dimensionen der Nachhaltigkeit (ökonomisch, ökologisch, sozial) stehen im betrieblichen Alltag oft im Konflikt miteinander. Ist eine ganzheitliche Nachhaltigkeitsstrategie möglich und wie sollte eine solche Strategie für Kulturorganisationen und -projekte aussehen?
Ja, einige Ziele stehen im Konflikt, aber viele sind auch komplementär. Genau deshalb benötigt es eine breit abgestützte Strategie, die auch Abwägungen zwischen verschiedenen Zielen beinhaltet. Generell sehen wir mit den derzeitigen gesellschaftlichen und politischen Umwälzungen, dass die Widersprüche abnehmen. Für die Organisationen ist es zentral, Prioritäten in der eigenen Nachhaltigkeitsarbeit zu setzen, um sich nicht zu verzetteln und kohärent zu kommunizieren.
Ihre Forschung konzentriert sich auf Mega-Events wie die Olympischen Spiele oder Fussballweltmeisterschaften sowie auf kulturelle Flagship-Projekte wie grosse Museen oder Konzertsäle. Welche Schlussfolgerungen hinsichtlich Nachhaltigkeit ergeben sich daraus, die auch für kleinere Kulturorganisationen und -projekt von Bedeutung sind?
Die grossen Flaggschiffe der Museen und Theater sind oft gut organisiert und haben eine hohe Sichtbarkeit. Das kann für kleinere Organisationen ein Vorbild sein. Die grossen Flaggschiffe sind aber oft wie träge Tanker – sie reagieren nur sehr langsam auf die grossen Herausforderungen. Kleinere Organisationen hingegen sind wendige Jollen. Sie können aktuelle Themen schnell aufgreifen – und manchmal sogar die Nachhaltigkeit zur Raison d’Être erklären, wie beispielsweise das Ecoteatro in Mailand.
Welche Aspekte der Nachhaltigkeit werden Ihrer Meinung nach derzeit noch nicht ausreichend berücksichtigt und sollten von Kulturorganisationen und -projekten als nächstes in den Fokus gerückt werden?
Ein grosses Problem ist, dass viele Organisationen bei «Nachhaltigkeit» fast ausschliesslich an Klimawandel denken. Der Klimawandel ist ohne Zweifel wichtig, aber Nachhaltigkeit fängt dort erst an. Um dieses multidimensionale Verständnis von Nachhaltigkeit für den Kultursektor besser zugänglich zu machen, haben wir an der Universität Lausanne zusammen mit 11 führenden Kulturorganisationen weltweit ein Modell entwickelt, das Nachhaltigkeit in verschiedene Aspekte herunterbricht. Neben dem Klimawandel hat unser Nachhaltigkeitsstern noch 19 andere Dimensionen – Klima ist also nur ein Teil eines grösseren Puzzles.
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