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School of Management and Law

Interkulturalität und kulturelle Teilhabe: Im Gespräch mit Gunda Zeeb von AboutUs!

Kulturelle Teilhabe und das Integrationspotential partizipativer Kulturprojekte gehören zu den aktuellen Forschungsschwerpunkten des ZKM. Mit Gunda Zeeb von About Us!, einem Organisator interkultureller Programmwochen, haben wir über Möglichkeiten und Herausforderungen der kulturellen Teilhabe gesprochen und auch darüber, wie diese in Zeiten von Corona sichergestellt werden kann.

Gunda Zeeb ist seit 2018 Co-Leiterin von About Us! Zürich Interkulturell und seit 2012 künstlerische Leitung vom Wildwuchs Festival Basel. Von 2006 bis 2012 war sie als Dramaturgin am Theaterhaus Gessnerallee Zürich tätig, davor als künstlerische Leitungsassistenz am HAU (Hebbel am Ufer) in Berlin und als Betriebsbüroleitung am Forum Freies Theater in Düsseldorf. Zeeb hat einen MA in Cultural Management an der City University in London sowie einen CAS in Internationaler Zusammenarbeit am NADEL/ ETH Zürich absolviert. Sie hat verschiedene Lehraufträge u.a. an der Zürcher Hochschule der Künste und der Dimitrischule in Verscio und ist langjähriges Mitglied der Förderkommission Theater/ Tanz des Kanton Zürich. (Foto Credits: Christian Heller).

Im Rahmen unseres ZKM-Forschungsprojekts «Diversität und Kultur: Integrationspotentiale von partizipativen Kulturprojekten und -orten» untersuchen wir unterschiedliche partizipativ angelegte Kulturprojekte im Kanton Zürich, von denen sich einige auch letztes Jahr im Rahmen der Programmwochen AboutUs! präsentierten. Insgesamt nahmen 16 Kulturprojekte teil. Was ist euch wichtig bei der Auswahl der Projekte, die an AboutUs! teilnehmen?
Bei den von uns ausgewählten Projekten standen vier Aspekte im Vordergrund. Erstens war uns wichtig, dass ein Projekt unterschiedliche Communities zusammenbringt, die gemeinsam ein künstlerisches Projekt erarbeiten. Zweitens sollten die Projekte über die Kunst Begegnungen mit und zwischen Menschen ermöglichen, die sich im Alltag nicht treffen würden. Weiter haben wir darauf geachtet, dass bei den Projekten mit künstlerischen Mitteln ein Thema bearbeitet wurde, das sonst wenig Gehör in der Öffentlichkeit findet. Und viertens war uns wichtig, dass die Projekte auf künstlerischer, thematischer und finanzieller Ebene niederschwelligen Zugang gewähren.

Gibt es ein Projekt, das in Hinblick auf die Partizipation besonders wirkungsvoll und erfolgreich war?
Sicherlich hat das Projekt «Gemeinsam wie Bienen» am Stadelhoferplatz die meisten unterschiedlichen Menschen erreicht – einerseits durch den gut besuchten und weithin sichtbaren Standort, andererseits durch das vielfältige Programm, das tagtäglich im eigens dafür gebauten Pavillon angeboten wurde. Die Partizipation erfolgte hier auf zwei Ebenen: erstens durch das Publikum, das entweder gezielt oder en passant an Aktionen teilnehmen konnte. Zweitens durch die Einbindung unterschiedlichster Communities, Vereine und Initiativen in die Programmgestaltung, die sich von partizipativen Workshops über politische Diskussionen bis hin zu gemeinsamem Tanz und Theater erstreckte.

In unserem Forschungsprojekt befassen wir uns mit der Zielgruppe «Menschen unterschiedlicher Herkunft und Kultur».  Wie bewertest du die Möglichkeiten der kulturellen Teilhabe für diese Zielgruppe in der Schweiz?
Grundsätzlich ist meines Erachtens die kulturelle Teilhabe für alle immer noch schwierig. Das hat zunächst einmal viel mit Sprache zu tun. Die meisten kulturellen Veranstaltungen finden weiterhin in Deutsch oder maximal einer zweiten (oft Landes-)Sprache statt. Es gibt selten z. B. im Theater Untertitelungen auf Albanisch oder Eritreisch. Auch ist die Information über kulturelle Teilhabe meist nur in Deutsch verfasst. Ausserdem fehlt vielen Menschen der Zugang zur Information über Möglichkeiten der kulturellen Teilhabe. Darüber hinaus bestimmt weiterhin eine westliche Perspektive den grundsätzlichen Kanon der gegenwärtigen Kulturlandschaft, also was gezeigt, ausgestellt und gespielt wird. Last but not least spielen auch finanzielle Aspekte eine Rolle bei kultureller Teilhabe, da Eintritte ins Kino, Theater oder Museum teilweise die finanziellen Möglichkeiten zum Beispiel von Familien übersteigen.

Wie kann kulturelle Teilhabe aus deiner Sicht auch in Zeiten von Corona gesichert werden?
Das ist nochmals eine ganz neue Herausforderung, da Menschen auch in Abhängigkeit von ihrer Kultur und Herkunft unterschiedlich auf das Virus reagieren. Viele unserer (und andere interkulturelle) Projekte leben von der direkten Begegnung von Menschen verschiedener Communities, oft bei einem gemeinsamen Kochen, Essen oder Tanzen. Hierfür eine Übersetzung ins Digitale zu finden ist vor allem für partizipative Projekte nicht einfach. Auch hier spielt die sprachliche Hürde wieder eine grosse Rolle. Während man sich bei der direkten Begegnung noch mit Gesten aushelfen kann, ist das im digitalen Raum viel schwieriger. Auch haben viele Menschen aufgrund fehlender Hardware oder Kenntnis keinen oder wenig Zugang zur digitalen Welt. Daher kann kulturelle Teilhabe meines Erachtens vor allem dadurch gesichert werden, dass man weiterhin Veranstaltungen mit physischer Präsenz anbietet, aber dabei die Anzahl der Teilnehmenden entsprechend reduziert. Ich denke, dass dies gerade in Corona-Zeiten wichtig ist, um zum Beispiel die Isolation von Menschen einzudämmen oder Frauen weiterhin die Möglichkeit zum Sozialisieren ausserhalb ihres Hauses zu geben.

Warum engagierst du dich für Interkulturalität und kulturelle Teilhabe?
Kultur ist ein wichtiger Pfeiler unserer Gesellschaft, zu dem möglichst alle Menschen Zugang haben sollten. Unsere Gesellschaft im 21. Jahrhundert ist eine extrem diverse und diese Diversität soll und muss sich in der Kultur unseres Landes widerspiegeln. Es reicht aber dazu nicht aus, Kunst und Kultur ÜBER verschiedene Menschen und Communities zu machen, sondern die Menschen müssen aktiv in die Gestaltung der Kulturlandschaft einbezogen werden und ihre jeweiligen Themen und Ästhetiken repräsentiert sehen. Daher versuche ich möglichst viele Menschen in die Gestaltung unseres Programms einzubeziehen. Ich glaube fest daran, dass Menschen vor allem durch das eigene Mitmachen und Dabeisein Zugang zu Kultur finden und darin eine Möglichkeit sehen, ihre Anliegen zu formulieren und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Daher engagiere ich mich in all meinen unterschiedlichen Arbeitsbereichen für Interkulturalität und Teilhabe.

Das ZKM-Team bedankt sich herzlich für das Interview!