Digitale Welt? Für Versicherte zählen andere Dinge
Mikro- und Kleinunternehmen stufen digitale Angebote ihrer Versicherungen als weniger relevant ein. Eine qualitativ hochstehende Beratung und eine gute Versicherungsdeckung stehen im Vordergrund. Das zeigt die Versicherungsstudie 2023 der ZHAW.
In der Schweiz gehören über 500.000 Firmen dem Segment der Mikro- und Kleinunternehmen an, wobei Mikro-Unternehmen 1-9 Mitarbeitende beschäftigen und Kleinunternehmen 10-49 Mitarbeitende haben. Versicherungsunternehmen haben dieses Kundensegment als strategische Zielgruppe für ihre Geschäftsentwicklung identifiziert. Aber welche Bedürfnisse haben Mikro- und Kleinunternehmen in Bezug auf Versicherungsprodukte und Zusatzdienstleistungen? Das hat eine aktuelle Studie der ZHAW School of Management and Law untersucht. Für die Datengewinnung wurden 250 Klein- und 1.189 Mikrounternehmen aus unterschiedlichen Branchen im März 2023 online befragt. Unterstützt wurde die Umfrage von den Projektpartner:innen Zühlke Engineering AG und Synpulse Schweiz AG.
Digitale Lösungen spielen aktuell noch eine untergeordnete Rolle
Beim Kauf der Versicherung schwingen zwei Kriterien als prioritär oben auf: Gute Versicherungsdeckungen sowie die Qualität der Beratung. Interessanterweise kommt der Preis erst an deutlich dritter Stelle, dicht gefolgt vom Bedürfnis, für alle Finanzthemen eine Ansprechperson zu haben. Erst auf Platz fünf folgen einfache digitale Zugänge als Bedürfnis. Zugänge zu Produkten von Drittanbietenden oder zu Zusatzdienstleistungen werden kaum als relevant wahrgenommen. «In der Tendenz gewichten Dienstleistungsunternehmen die Bedeutung digitaler Zugänge höher ein als Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe oder der Landwirtschaft. Letztere schätzen dafür eher die Möglichkeit, alle Finanzthemen mit einer einzigen Ansprechperson behandeln zu können», beschreibt Studienleiter Lukas Stricker vom Institut für Risk & Insurance der ZHAW die Ergebnisse. «Deshalb ist ein sehr gezieltes und bedarfsgesteuertes Vorgehen angebracht», sagt Stricker.
Präferierte Kommunikationskanäle
Die geringe Präferenz für einfache digitale Zugänge beim Kauf einer Versicherung widerspiegelt sich auch in den bevorzugten Kommunikationskanälen und Ansprechpersonen während der Vertragslaufzeit. Über 52 Prozent der Befragten bevorzugen den primären Kontakt zum Versicherungsberatenden der Agentur oder im Callcenter. Etwa 33 Prozent ziehen es vor, zu ihrer Maklerin oder ihrem Makler zu gehen. Lediglich knapp 5 Prozent gehen online via Portal oder Website. Der bevorzugte Kommunikationsweg ist an erster Stelle Telefon und E-Mail sowie das persönliche Gespräch. Die Präferenzen für die Kommunikationskanäle variieren je nach Branche.
Grundsätzlich zufrieden – und loyal
Die meisten Befragten zeigen sich mit ihren bestehenden Versicherungslösungen zufrieden, aber nicht begeistert. Die Zufriedenheit mit den gekauften Versicherungen ist bezüglich der zwei wichtigsten Prioritäten, nämlich gute Deckungen und hohe Beratungsqualität, am höchsten. «Überraschend hingegen ist, dass die doch stark bevorzugten nicht-digitalen Zugänge leicht kritischer beurteilt werden als die weniger bevorzugten digitalen Zugänge», beurteilt Lukas Stricker die Ergebnisse.
Entgegen der weitverbreiteten Meinung, dass sich die Versicherer in den Augen der Kunden kaum differenzieren, zeigt die Umfrage für jede beurteilte Versicherungsgesellschaft ein sehr differenziertes Profil: Kein Versicherer vermag bei allen Kriterien obenaus zu schwingen. Es zeichnen sich stattdessen Unternehmensprofile ab, zum Beispiel Versicherer mit guten Preisen aber schlechterer Beratung und wenig Zusatzdienstleistungen – oder andersrum. Dann wiederum solche mit einem mittleren Profil entlang der meisten Kriterien. Die Unterschiede in den Beurteilungen sind dabei erheblich. Lediglich bei der Frage nach den Versicherungsdeckungen scheint die Differenzierung zumindest nach unten limitiert zu sein. «Versicherer, die bei diesem zentralen Kriterium unter die Schwelle von ‹eher zufrieden› fielen, wären wohl nicht mehr marktfähig», sagt Lukas Stricker. Überraschend allerdings die deutlichen Unterschiede in der Beurteilung der verschiedenen Versicherer bei den nicht-digitalen Zugängen sowie der Qualität der Beratung. Hier zeichnet sich ein erhebliches Differenzierungspotenzial ab.
Die Studie zeigt auch: Versicherte sind in der Regel loyal und bleiben in den meisten Fällen bei ihrer Versicherung. «Es besteht nur eine limitierte Wechselbereitschaft, wobei diese in den ersten Jahren nach dem Abschluss am höchsten ist», erläutert Lukas Stricker abschliessend die Ergebnisse. Ein umfassenderer Bericht, der auch die Resultate der Expert:innen-Interviews mit den Versicherern beinhaltet, erscheint im Herbst 2023.
Kontakt
Lukas Stricker, Institut für Risk & Insurance, ZHAW School of Management and Law, Telefon 058 934 74 62, E-Mail lukas.stricker@zhaw.ch
Valerie Hosp, Kommunikation, ZHAW School of Management and Law, Telefon 058 934 40 68, E-Mail valerie.hosp@zhaw.ch