Strategy-Deployment
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Christophe Vetterli, Christoph Jäggi (V01)
Einleitung
Im Spitalumfeld ist der Prozess der Strategieübersetzung und -umsetzung (Strategy Deployment) erfolgsrelevanter als die Strategiedefinition selbst. Ein Spital befindet sich in einem komplexen interprofessionellen und interdisziplinären Umfeld. Die Bildung eines einheitlichen Fokus über alle Bereiche und Hierarchiestufen hinweg ist in diesem Kontext sehr komplex und gleichzeitig entscheidend für die Zukunft eines Spitals (Walker & Vetterli, 2015). Die führenden Spitäler in den USA verstehen Strategy-Deployment als eine Vorgehensweise, die die strategische Ambition auf ein Thema fokussiert und die Strategie für alle Beteiligten übersetzt, so dass für diese eine Handlungsrelevanz entsteht. Das bewusste Einfangen von Rückmeldungen zum Verständnis der Strategie (sogenanntes „Catchballing“) in den unterschiedlichen Spitalbereichen (horizontal) und auf allen Hierarchiestufen (vertikal) hilft, eine kritische Masse an Befürwortern für die Umsetzung zu erreichen (Saunders et al., 2007). Auf jeder Stufe definieren die Mitarbeitenden selbst, wie und was sie konkret zur Zielerreichung beitragen möchten. Die Beteiligten diskutieren in einer hohen Intensität und verdichten die Inhalte der Strategie auf jeder Hierarchiestufe auf einem A3 (siehe A3-Report), dies ist elementarer Bestandteil des Strategy-Deployments.
Leitfragen für die Praxis
Beispiele für Praxisfragen wären:
- Auf welches Thema wird der nächste Strategie-Zyklus fokussiert?
- Gibt es ein messbares Ziel für das strategische Fokusthema und kann dieses innerhalb des Strategie-Zyklus erreicht werden?
- Besteht die Strategie auf einem A3-Format und haben die unterschiedlichen Ebenen und Bereiche des Spitals ihr eigenes A3 entwickelt?
- Sind die unterschiedlichen A3s am strategischen Fokusthema ausgerichtet?
Detailbeschreibung des Konzepts
Die Strategien von Spitälern beinhalten heute meist vergleichbare Elemente wie beste medizinische Qualität, Patientenorientierung, Patientensicherheit, Wirtschaftlichkeit oder mitarbeiterfreundliches Umfeld. Die medizinischen Produkte der einzelnen Anbieter sind mindestens innerhalb der einzelnen Anbietercluster zum Beispiel Universitätsspitäler oder Maximalversorger vergleichbar. Die Differenzierung über die Strategie, wie in anderen Branchen über Unique-Selling-Propositions (USPs), ist im Spitalumfeld weniger einfach.
Jedes Spital benötigt eine Strategie. Das strategische Gremium fokussiert das Spital auf einige wenige erfolgsversprechende Angebote und profiliert sich damit bei Zuweisenden sowie bei Patientinnen und Patienten. Dazu gehört im Zeitalter der Systemmedizin, dass für die gewählten Angebotsthemen starke interdisziplinäre und interprofessionelle Zentren oder Schwerpunkte geschaffen werden. Entscheidend ist nicht in erster Linie die Strategie, sondern der Prozess, der beschreibt, wie eine solche Strategie auf den unterschiedlichen Ebenen verteilt, übersetzt und schlussendlich umgesetzt wird. Das Konzept „Strategy-Deployment“ beschreibt diesen Übersetzungsprozess, der zum Ziel hat,
- für ein Strategiethema innerhalb eines Strategie-Zyklus die Ziele zu erreichen und
- jede Hierarchiestufe und jeden Bereich im Spital in die Erreichung dieses Ziels aktiv einzubinden.
Das Konzept des Strategy-Deployments entspringt im Kern dem Hōshin Kanri [1] (Akao, 1991; Jochum, 2002).
Der Strategy-Deployment-Prozess unterliegt einer übergeordneten Vision. Jedes Strategiethema ermöglicht der übergeordneten Vision ein Stück näher zu kommen. Die folgende Abbildung zeigt, wie die kaskadierende Logik funktioniert:
Die Vision überdauert den strategischen Zyklus und liefert übergeordnete Ziele. Pro Strategiezyklus müssen die Ziele („Z“) pro Hierarchiestufe in eine Strategie pro Stufe („S“) münden. Der Fokus der Geschäftsleitungsebene wird in Form eines Blattes in DIN-A3-Papierformat festgehalten (Gosh, 2012). Die A3-Denkweise stammt aus dem Kaizen-Denksystem (zum Beispiel Durward et al., 2008). Das A3C als Liefergut für die Strategiearbeit zwingt die Geschäftsleitung zu fokussieren und sich den zentralsten Punkten für die Zielerreichung zu widmen. Das Zentrale ist dabei die Diskussionen und Entwicklungen rund um die Erstellung einer Strategie in einem A3-Format (Durward et al., 2008). Jedes A3 beinhaltet die Massnahmen zur Erreichung des Zieles. Um den strategischen Fokus über das ganze Spital sicherzustellen, werden pro Hierarchiestufe weitere A3s erstellt (A3C1-3). Diese A3s haben dasselbe Ziel wie das A3C der Geschäftsleitung, enthalten jedoch die für die jeweilige Stufe operationalisierbaren Ziele und Massnahmen. Die Aktivität der Übersetzung auf die unterschiedlichen Hierarchiestufen oder Spitalbereiche ermöglicht über eine iterative Kommunikationsweise das direkte Einfangen von Rückmeldungen zum Verständnisgrad der Strategie. Diese Rückmeldung kann auch dazu dienen, das A3C noch einmal zu verifizieren oder Massnahmen für einen besseren Übersetzungsprozess zu ergreifen. Dieser iterative Prozess wird als „Catchballing“ bezeichnet.
Sobald alle A3s auf allen Stufen festgelegt sind, orientiert sich die Strategieumsetzungsarbeit in führenden Spitälern am „Plan-Do-Check-Act“-Zyklus (kurz PDCA-Zyklus) von Shewart (1939). Dieser Strategie-Zyklus dauert typischerweise ein Jahr.
Die fokussierte Zieldefinition, die iterative Übersetzung für weitere Spitalbereiche und die Umsetzung der Strategie innerhalb eines Strategie-Zyklus kann zusammenfassend als Strategy-Deployment bezeichnet werden.
Ergänzung [1]: Hōshin Kanri ist ein unternehmensumfassendes Planungs- und Steuerungssystem, das alle Führungskräfte und Mitarbeiter in einen systematischen Kaskadierungsprozess einbindet. Im Rahmen einer gleichzeitigen vertikalen und horizontalen Abstimmung werden aus der Vision Durchbruchsziele des Unternehmens entwickelt, um daraus die wesentlichen Strategien und Ziele für alle Mitarbeiter abzuleiten, damit alle Mitarbeiter auf die gleiche Vision und gleichen Ziele des Unternehmens fokussiert sind (Wikipedia, 2015).
Praxisempfehlungen
Klassische Strategiearbeit ergibt pro Strategieperiode einen Katalog von teils über 100 Massnahmen und Vorhaben. Diese generieren sich aus fünf oder mehr Fokusthemen und sind nur selten innerhalb eines Strategie-Zyklus umsetzbar. Genau deshalb konzentrieren sich erfolgreiche Organisationen auf ein Thema. Die Strategiearbeit muss sich in dieser Zeit dem einen Fokus widmen. Erst wenn die Ziele dieses Fokusthemas erreicht sind, kann das nächste Strategiethema in Angriff genommen werden.
Die meisten Spitäler definieren ihre Visionen mit einem Zeithorizont von acht bis zehn Jahren und ihre Strategien mit vier bis fünf Jahren. Die führenden Spitäler richten ihre Vision auf einen ähnlichen Zeithorizont aus. Der Strategiezyklus dagegen wird auf eine jährliche Periode verkürzt und inhaltlich entsprechend reduziert. Auch der PDCA-Zyklus auf Stufe Strategie wird pro Jahr einmal durchlaufen.
Das Strategy-Deployment bedingt eine grosse Kommunikations- und Übersetzungs- bzw. Validierungsarbeit. Dies hat zur Folge, dass das Potential der Mitarbeitenden für die Strategiearbeit viel besser genutzt wird als heute üblich. Jede im Spital angestellte Person ist in einem Projekt oder in die tägliche Verbesserungsarbeit involviert.
Bitte zitieren Sie diese Quelle wie folgt:
Vetterli, C. & Jäggi, C. (2016). Strategy-Deployment. In A. Angerer (Hrsg.), LHT-BOK – Lean Healthcare Transformation Body of Knowledge, Version 1.0. Winterthur. Abgerufen von www.leanhealth.ch
Literatur
Akao, Y. (1991). Hōshin Kanri - Policy Deployment for Successful TQM. Cambridge, MA.
Babich, P. (1992). Hoshin Handbook. TQE: Total Quality Engineering, Poway.
Bechtell, M. (1995). The Management Compass: Steering the Cooperation Using Hoshing Planning. New York: American Management Association.
Gosh, M. (2012). A3 Process: A Pragmatic Problem-Solving Technique for Process Improvement in Health Care. Journal of Health Management, , 14 (1), 1-11.
Jochum, E. (2002). Hoshin Kanri / Management by Policy (MbP) – Grundlagen eines effizienten Ziele-Management-Systems. In: Bungard, W. & Kohnke, O. (Hrsg): Zielvereinbarungen erfolgreich umsetzen. 2. Auflage. Wiesbaden, S. 67- 90
Saunders, M., Mann, R. & Smith, R. (2007). Benchmarking strategy deployment practices. Benchmarking: An International Journal, 14(5), .609 – 623.
Shewart, W. A. (1939). Statistical Method from the Viewpoint of Quality Control. Washington, DC: US Department of Agriculture.
Sobek, Durward K. & Art Smalley. Understanding A3 thinking: a critical component of Toyota’s PDCA management system. Boca Raton: CRC Press, 2008.
Walker, D. & Vetterli, C. (2015). Die stille Revolution. In: D. Walker (Hrsg.) : Lean Hospital: Das Krankenhaus der Zukunft . Berlin: MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.
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