Root-Cause-Analyse
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Tim Brand, Christophe Vetterli (V01)
Einleitung
Die Root-Cause-Analyse befasst sich mit Problemen vor allem in Bereichen der Zielerreichungen, Prozesse und „Critical-Incidents“. Sie beschreibt den Vorgang, wie zugrundeliegende Probleme identifiziert werden können und dient damit der retrospektiven Analyse. Es wird angenommen, dass Probleme Ursache-Wirkungs-Ketten darstellen und dass ein Problem nicht gelöst werden kann, wenn man die Ursachen an der Wurzel (Root-Cause) nicht beseitigt. Gleichermassen kann eine Krankheit nicht durch die Behandlung der vorliegenden Symptome geheilt werden. Ursachen können dabei in der Beschaffenheit des Systems selbst oder in zugrundeliegenden Umständen bestehen (Graban, 2012).
Leitfragen Praxis
Die Root-Cause-Analyse stellt sich folgende Fragen:
- Was sind die ausschlaggebenden Gründe für das vorliegende Problem?
- In welcher Beziehung stehen die unterschiedlichen Gründe zueinander?
- Warum ist ein Fehler aufgetreten?
Detailbeschreibung des Konzepts
Probleme können gemäss Fischermanns (2013) in verschiedenen Ursache-Wirkungs-Verhältnissen zueinander stehen:
- Isolierte Probleme bzw. Problemfelder: Wirkungen und Ursachen sind hier klar unterscheidbar. Ein Problem ist entweder Wirkung oder Ursache. Dabei können Wirkungen Ursachen zugeordnet werden.
- Linear-kausale Problemketten: Wirkungen können bestimmten Ursachen zugeordnet werden. Ursachen und Wirkungen bilden abwechselnd eine Kette.
- Linear-kausale Problemwurzeln: Varianten linear-kausaler Problemketten. Eine letzte Wirkung ist vorhanden. Zwei oder mehr Problemketten erzeugen eine Wirkung gemeinsam. Jeder Wirkung können mehrere Ursachen zugeordnet werden.
- Vernetzte Probleme, Problemketten und -wurzeln: Mehrere erste Ursachen und letzte Wirkungen sind möglich. Teilweise bestehen zyklische Zusammenhänge zwischen Ursachen und Wirkungen ohne klare Linearität.
Diese Konstellationen machen die Notwendigkeit einer eingehenden Analyse der bestehenden Probleme deutlich.
Wenn man versucht, die Ursache für ein Problem herauszufinden und dazu die betreffenden Personen befragt, werden häufig andere Personen und Abteilungen für das Problem verantwortlich gemacht. Was auf den ersten Blick wie ein Verteidigungsmechanismus aussieht, kann der Hinweis sein, dass die Ursache des Problems tatsächlich woanders liegt. Gleichzeitig kann das Wiederauftreten eines vermeintlich gelösten Problems darauf hinweisen, dass der eigentliche Grund des Problems noch nicht identifiziert wurde. Das Ziel der Root-Cause-Analyse ist es, diesen Hinweisen nachzugehen und gemeinsam mit den Betroffenen herauszufinden, welches die zugrundeliegenden Ursachen eines Problems sind, um diese zu beseitigen. Dabei steht nicht die Identifikation und Bestrafung der Verantwortlichen im Vordergrund, sondern das Wiederauftreten von Problemen zu verhindern (Graban, 2012). Deshalb finden sich hier Verknüpfungen zur Kultur der kontinuierlichen Verbesserung (Kaizen), die im Lean-Management grundlegend ist.
Für die Durchführung der Root-Cause-Analyse eigenen sich verschiedene Tools. Dazu zählen unter anderem das Fishbone-Diagram und die 5-Why-Methode. Zudem ist die Analyse im Sinne des Strategy-Deployment-Prozesses ein Teil des strategischen A3s (siehe A3-Report).
Praxisempfehlungen
Die Root-Cause-Analyse sollte so schnell wie möglich nach dem Auftreten eines Problems durchgeführt werden, da sonst wichtige Details verloren gehen können. Dazu sollten alle am Prozess Beteiligten an der Analyse teilnehmen, um spekulative Annahmen zu vermeiden. Bei den Mitarbeitenden kann durch diesen Zusatzaufwand eine abwehrende Haltung provoziert werden. Die Aufgabe der Führung ist es, den Mitarbeitenden den Sinn der Analyse zu erläutern und den Fokus der Analyse auf das bestehende System statt auf einzelne Mitarbeitende zu lenken (Williams, 2001). Zentral für die faktenbasierte Ergründung von Problemen ist das Heranziehen des adäquaten Zahlenmaterials. Es kann sich herausstellen, dass gewisses Zahlenmaterial fehlt und keine qualifizierte Aussage getroffen werden kann. Dann sollte in Erfahrung gebracht werden, warum dieses Zahlenmaterial fehlt. Der Root-Cause-Analyse folgend werden dazu Gegenmassnahmen definiert, um das fehlende Zahlenmaterial zu beschaffen.
Root-Cause-Analysen können dazu verwendet werden, bestehende Probleme und aufgetretene Fehler zu analysieren, zu beheben und ein Wiederauftreten zu verhindern. Zudem sollten sie dazu genutzt werden, „Near-Misses“, d.h. beinahe aufgetretene Fehler, zu analysieren, die durch ein rechtzeitiges Erkennen nicht zu einem Schaden an Patientinnen und Patienten etc. führen konnten. Dadurch wird der Situation rechtzeitig Rechnung getragen und ein mögliches Auftreten des Fehlers in Zukunft verhindert (Van Spall, Kassam & Tollefson, 2015; Williams, 2001).
Häufig wird Problemen am Arbeitsplatz mithilfe von „Workarounds“ begegnet, indem zum Beispiel fehlendes Material und fehlende Geräte aus einem anderen Raum beschafft werden. Dies löst Probleme kurzfristig, führt aber zwangsläufig zu Problemen an anderer Stelle. Zudem stellen Workarounds häufig ein riskantes Verhalten bezüglich der Patientensicherheit dar. Es ist wichtig, dieses Verhalten zu erkennen und zu beheben. Workarounds entstehen häufig dadurch, dass Mitarbeitenden die Zeit fehlt, den Ursprung eines Problems zu erfassen und diesen zu beseitigen (Graban, 2012). Eine Root-Cause-Analyse kann helfen, die notwendige Zeit gezielt zu investieren, um ein bestehendes Problem zu lösen. Werden Workarounds durch standardisierte Prozessabläufe ersetzt, trägt dies kontinuierlich zu einer Verbesserung der Patientensicherheit bei (Pennsylvania Patient Safety Authority, 2005).
Unterschiedliche Massnahmen haben gemäss Root-Cause-Analyse unterschiedliche Wirkungen. Während die Überarbeitung eines Produktes oder Prozesses zukünftigen Schaden mit hoher Wahrscheinlichkeit vermeidet, zeigen wiederholte Schulungen des Personals und das Schreiben von Richtlinien nur einen geringen Effekt (Rother, 2013; Wu, 2008).
Bitte zitieren Sie diese Quelle wie folgt:
Brand, T. & Vetterli, C. (2016). Root-Cause-Analyse. In A. Angerer (Hrsg.), LHT-BOK – Lean Healthcare Transformation Body of Knowledge, Version 1.0. Winterthur. Abgerufen von www.leanhealth.ch
Literatur
Fischermanns, G. (2013). Praxishandbuch Prozessmanagement: das Standradwerk auf Basis des BPM Framework ibo-Prozessfenster. Gissen: Schmidt.
Graban, M. (2012). Lean Hospitals - Improving Quality, Patient Safety, and Employee Satisfaction. 2. Auflage. New York: Productivity Press.
Pennsylvania Patient Safety Authority (2005). Workarounds: A Sign of Opportunity Knocking. Patient Safety Advisory, 2(4). Abgerufen von patientsafetyauthority.org/ADVISORIES/AdvisoryLibrary/2005/dec2%284%29/documents/25.pdf.
Rother, M. (2013). Die Kata des Weltmarktführers : Toyotas Erfolgsmethoden. 2., erw. Auflage. Frankfurt am Main: Campus-Verlag.
Van Spall, H., Kassam, A. & Tollefson, T. T. (2015). Near-misses are an opportunity to improve patient safety: adapting strategies of high reliability organizations to healthcare. Current Opinion in Otolaryngology & Head and Neck Surgery, 23(4), 292–296.
Williams, P. M. (2001). Techniques for root cause analysis. Proceedings (Baylor University. Medical Center), 14(2), 154–157.
Wu, A. W. (2008). Effectiveness and Efficiency of Root Cause Analysis in Medicine. JAMA, 299(6), 685.
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