Online oder im Geschäft einkaufen – was ist nachhaltiger? ZHAW-Studie vergleicht die Einkaufsarten im Bereich Heimelektronik
Der Heimelektronik-Bereich macht in der Schweiz den grössten Anteil im Online-Handel aus. Doch wie nachhaltig ist hier der Kauf online im Vergleich zum stationären Einkauf? Und sind Konsument:innen bereit, für mehr Nachhaltigkeit beim Einkauf auch mehr zu bezahlen und längere Lieferzeiten in Kauf zu nehmen? Die ZHAW-Forschenden kommen zu ganz unterschiedlichen Antworten, die die Vor- und Nachteile beider Konsumarten aufzeigen.
Der Online-Handel in der Schweiz wächst weiter an. Vor allem der Bereich Heimelektronik gewann durch die Corona-Pandemie nochmals einen kräftigen Schub. Im Jahr 2021 lag der Anteil am Onlinehandel im Bereich Heimelektronik (dazu zählen in der Schweiz Unterhaltungselektronik, IT/Office Equipment, Telecom, Foto, Haushaltskleingeräte und Multi Technical Goods) bei 50 Prozent und weist damit den grössten Onlinehandelsanteil auf. Im Vergleich: Waren aus dem Bereich Fashion/Schuhe kommen auf einen Anteil von 30 Prozent.
Ein Forschendenteam des ZHAW-Instituts für Nachhaltige Entwicklung (INE), bestehend aus Maike Scherrer, Viola Rühlin und Patrick Doege, hat in ihrer Studie «Was ist eigentlich nachhaltiger? Der Effekt von stationärem und Online-Handel auf die Nachhaltigkeit im Heimelektronikhandel» beide Handelsarten unter Rücksicht auf mehrere Nachhaltigkeits-Dimensionen untersucht und durch Umfragen die Perspektive der Kosument:innen und Unternehmen mit Fokus auf Nachhaltigkeit mit einbezogen.
Mehr als die Hälfte kauft Heimelektronik offline
Der Blick auf das Konsumverhalten (wofür die Studienautor:innen Online-Umfragen durchführen liessen) zeigt, dass in der Deutschschweiz Heimelektronik-Käufe zu 52 Prozent im stationären Handel und zu 41 Prozent online getätigt werden. Die 21- bis 39-Jährigen bevorzugen Online-Käufe, während andere Altersgruppen eher den stationären Handel nutzen. Dabei kaufen Männer mehr Heimelektronik online (46%) als Frauen (35%). Als Gründe für Online-Käufe werden Zeitersparnis (67%), attraktive Preise (62%), Preisvergleichsmöglichkeiten (55%) und größere Auswahl (52%) angegeben. Im stationären Handel sind Haptik (70%) und kompetente Beratung (67%) wichtige Faktoren. Zudem kauft ein Viertel der Befragten Heimelektronik im Ausland, vor allem bei Amazon (78%). Günstigere Preise (72%) und größere Auswahl (49%) sind hier die Hauptmotivationen. Mittels Experteninterviews mit dem Schweizerischen Handelsverband zeigt sich, dass auf Handelsseite, der ökologische Fußabdruck durch nachhaltige Bereitstellung der Produkte reduziert werden kann. Im stationären Handel hängt der CO2-Fussabdruck vom Transportmittel ab. Im E-Commerce können Händler nachhaltige Lieferoptionen durch Elektro- oder Wasserstofffahrzeugen anbieten. Die Bündelung von Bestellungen erweist sich als wichtiger Nachhaltigkeitsaspekt, da "same-day-delivery" den CO2-Fussabdruck erhöht. Innovative Lieferoptionen, wie konsolidierte Abholpunkte oder Verzögerung der Lieferung für weniger dringende Bestellungen, tragen dagegen zur Nachhaltigkeit bei.
Was ökologisch nachhaltig ist, ist nicht gleichzeitig sozial nachhaltig
Die Studienautor:innen betrachten die Frage nach der Nachhaltigkeit der beiden Konsumarten unter Einbeziehung dreier Nachhaltigkeits-Dimensionen. So spielen neben ökologischen auch ökonomische und soziale Nachhaltigkeitsfaktoren eine gleichberechtigte Rolle bei der Bewertung der Einkaufsart. Unter ökologischen Gesichtspunkten besticht der Online-Einkauf dann, wenn durch gebündelte Postlieferungen längere Anfahrt eines Einzelnen zum Geschäft mit dem Auto vermieden werden kann. Anders sieht es aus, wenn Kund:innen zu Fuss oder mit dem Velo ins Geschäft kommen können. Bei grossen Geräten, die nicht mit dem Velo transportiert werden können, empfehlen die Autor:innen das Produkt online zu kaufen, da dadurch gegenüber der Fahrt mit dem Auto der geringere ökologische Fussbadruck durch die Bündelung seitens Logistikdienstleister entsteht. Die Kosument:innenbefragung zeigt, dass eine Mehrheit (57%) bereit ist, eine ökologisch nachhaltigere Einkaufsoption für Heimelektronik zu wählen, wenn der Preisunterschied nicht signifikant ist. 23 Prozent würden dies unabhängig von Preis tun und sieben Prozent, wenn die Lieferzeiten nicht wesentlich länger werden. Nur 13 Prozent wären überhaupt nicht bereit, nachhaltiger einzukaufen.
Bei Betrachtung der ökonomischen Dimension zeigt sich, dass Unternehmen durch ein nachhaltig gestaltetes Supply Chain Management bei der Beschaffung und Auslieferung nicht nur CO2 und Kosten sparen, sondern dadurch auch eine stärkere Wettbewerbsposition erlangen können. Jedoch lassen sich im Onlinehandel Praktiken zur Steuervermeidung einfacher umsetzen als im stationären Handel, etwa durch Zentralisierung der Lagerstätten in einem steuergünstigen Kanton. Auch gehen durch Online-Händler dezentral verteilte Arbeitsplätze im ganzen Land zurück. Volkswirtschaftlich gesehen trägt E-Commerce also nicht zu einer grösseren ökonomischen Nachhaltigkeit im Handel bei und führt zu einem Wohlfahrtsverlust der Volkswirtschaft. Unter Berücksichtigung der sozialen Nachhaltigkeits-Dimension bietet E-Commerce zudem keine sozialen Interaktionsmöglichkeiten im Vergleich zum Einkauf in Ladengeschäften. Eine Mehrheit von 60 Prozent der befragten Konsumenten ist jedoch bereit, eine sozialverträglichere Bestellvariante bei der Heimelektronik zu wählen, unter der Bedingung, dass der Einkauf dadurch nicht wesentlich teurer würde.
Unterschiede zwischen Stadt und Land
Zusammengefasst kommt es auf den Wohnort und die jeweilige Entscheidung der Konsument:innen an, wie nachhaltig der Einkauf von Heimelektronik ist. In der Stadt ist der Einkauf im Geschäft, das sich zu Fuss oder mit dem Velo erreichen lässt, nachhaltiger als Online-Shopping. In ländlichen Gebieten ist der Online-Einkauf dagegen die nachhaltigere Variante, da Logistikdienstleistende durch Bündelung Fahrten sparen können, die beim Privatkauf durch die Hin- und Rückfahrt zum stationären Laden doppelt erzeugt würden. Auch die jeweiligen Strategien der Heimelektronik-Händler und deren angebotenen Lieferarten sind ein wichtiger Faktor in Bezug auf nachhaltigen Konsum. Somit kann abschliessend keine klare Antwort darauf geben werden, welche Art des Einkaufens die nachhaltigste ist, da es auf mehrere Faktoren ankommt. Aus Sicht der Konsumenten wird zudem keine Präferenz für den stationären oder den Online-Handel deutlich, die Mehrheit jedoch zeigt sich bereit, die nachhaltigere Einkaufsart zu wählen, wenn sie keinen Abstrich beim Preis machen müssen.