Beschrieb Change und Transition Management
Transformationsvorhaben unterscheiden sich von eher zum Arbeitsalltag gehörenden Projekten reproduktiven Wandels dadurch, dass es jetzt um neue Strategien und Fähigkeiten geht sowie um Grundsatzentscheidungen über das Selbstverständnis und den Kurs der Unternehmung. Dies sind keine reinen ‚Sachprobleme’, und insofern ist Management des Wandels nicht nur Management von Sachfragen. Die Transformationsziele und die Wege zu ihrer Erreichung sind mangels Erfahrung kaum eindeutig bestimmbar. Es handelt sich also selten um als richtig oder falsch beweisbare Entscheidungen. Nur wenn alle Beteiligten fest von der Unabweisbarkeit und Richtigkeit überzeugt sind, wenn alle alles tun, um in der eingeschlagenen Richtung voranzukommen, dann werden die angestrebten Ergebnisse auch tatsächlich eintreten. Umgekehrt gilt, dass schon mancher ‚geniale Plan‘ gescheitert ist, weil niemand so recht an ihn glaubte oder weil er nur halbherzig verfolgt wurde. Der Erfolg ‚stellt sich nicht ein’, so wie ein überraschender Besucher. Der Erfolg einer Unternehmung beruht auf der Gesamtheit nachdrücklicher und nachhaltiger Aktivitäten. Genau dazu sind Transformationsprozesse erforderlich.
Für die Wandlungsverantwortlichen bedeutet dies, dass der personalen Dimension des Geschehens besondere Aufmerksamkeit zu widmen ist. Zum einen muss ein Bewusstsein für die Notwendigkeit und Dringlichkeit des Wandels geschaffen werden, und im weiteren Verlauf des Prozesses müssen gegebenenfalls neue Einstellungen und Überzeugungen der Beteiligten entstehen. Wandlungsmanagement ist insofern kognitives Management, hier als Management von Bewusstseinslagen bezeichnet. Zum anderen ist es erforderlich, die notwendige Unterstützung und Prozessenergie zu aktivieren und über den gesamten Prozess hinweg aufrecht zu erhalten, damit der Wandel nicht versickert und versandet. Die Opponenten und Bedenkenträger sind zu überwinden. Wandlungsmanagement ist Einflussmanagement.
Die verschiedenen veröffentlichten Prozessmodelle unterscheiden sich u.a. deutlich in der Abdeckung der erläuterten Managementaufgaben. Ein Modell, das dabei besonders positiv hervorsticht, ist das achtstufige Modell von Kotter (vgl. 1996). Aus einer kritischen Auseinandersetzung mit Kotters Argumentation und aufbauend auf eigenen Erfahrungen und Erhebungen entstand die im weiteren Verlauf verwendete Ablaufdarstellung (siehe Abbildung). Sie beschreibt den Prozess tiefgreifenden und weitreichenden Wandels anhand von fünf Phasen: Initialisierung, Konzipierung, Mobilisierung, Umsetzung, Verstetigung.
Die fünf Phasen bilden den Rahmen für eine Analyse der Aufgaben des Wandlungsmanagements. Dabei werden jeweils die beiden wichtigsten Aufgaben einer Phase bestimmt. Dies ist mit hoher Trennschärfe möglich und liefert deutliche Unterschiede in den Aufgabeninhalten. Es ergeben sich zehn Aufgaben, die von der Bestimmung des Wandlungsbedarfs in der Konzipierungsphase bis zur Sicherung der Wandlungsbereitschaft und der Wandlungsfähigkeit in der Verstetigungsphase reichen. Sie lassen sich in Teilaufgaben der Wandlungsverantwortlichen weiter auffächern.
Initialisisierung
Charakteristik: Die Identifikation und verbindliche Feststellung eines sachlich notwendigen Wandels (Aufgabe 1: Wandlungsbedarf feststellen) und die Aktivierung der Wandlungsträger (Aufgabe 2) sind Aktivitäten der Prozessauslösung. Aufgabe 1 muss die sachliche Notwendigkeit des Wandels klären, Aufgabe 2 die Kräftekonstellation erkunden und die notwendige Überzeugungsarbeit im Führungskreis leisten, um anschließend den weiteren Prozess in Gang zu bringen.
Konzipierung
Charakteristik: Auf den Anstoß zum Wandel folgt die Konzipierung des Wandlungsvorhabens. Hierzu zählen die Festlegung der Stoßrichtungen des Wandels (Aufgabe 3: Wandlungsziele festlegen) sowie der Entwurf und die Bewertung geeigneter Lösungsalternativen zur Deckung des Wandlungsbedarfs (Aufgabe 4: Massnahmenprogramme entwickeln). Auch die Realisierung dieser Vorhaben in sachlicher, zeitlicher, institutioneller und personeller Hinsicht ist zu durchdenken. Dies bedeutet nichts anderes, als die Organisation des Wandels zu planen. Als Ergebnis dieser Phase muss feststehen, wo und in welcher Form ‚Abbau, Umbau, Aufbau‘ stattfinden sollen.
Mobilisierung
Charakteristik: Das Wandlungsmanagement muss im Anschluss an die Konzipierung den Kreis der Beteiligten und Betroffenen auf die beabsichtigten Änderungen einstellen bzw. sie mit der Änderung konfrontieren. Wie dies geschieht, ist wiederum eine Frage der Wandlungssituation und der Kräftekonstellation. Die Skala reicht vom ‚Schaffen vollendeter Tatsachen‘ bis zu einer weitreichenden Partizipation und Delegation. Dies ist ein Aufgabenkomplex, der mit dem Begriff ‚Mobilisierung‘ angemessen charakterisiert er- scheint – ein Begriff, der wesentlich andere Akzente setzt als Begriffe wie ‚Einführung‘, ‚Durchsetzung‘ oder auch ‚Implementierung‘. Zwei Aufgaben lassen sich dabei deutlich unterscheiden: Aufgabe 5 (Wandlungskonzept kommunizieren) zielt vorrangig auf die Wandlungsbereitschaft und damit auf die Überwindung von Willensbarrieren, Aufgabe 6 (Wandlungsbedingungen schaffen) richtet sich tendenziell auf die Wandlungsfähigkeiten, dient also dem Abbau von Fähigkeitsbarrieren. Die Entwicklung von Maßnahmenprogrammen (Aufgabe 4) ist noch weitgehend eine Sachfrage, ihre Durchsetzung im Rahmen der Mobilisierung hat das Schwergewicht im Bereich des Einflussmanagements und der kognitiven Führung.
Umsetzung
Charakteristik: Die Durchführung von prioritären Vorhaben (Aufgabe 7) sowie vor allem die sich anschließenden Folgeprojekte (Aufgabe 8) machen zusammen den Prozessabschnitt der Umsetzung aus. Im Rahmen der Konzipierungsphase ist regelmäßig nur ein kleiner Kreis tätig, von der Umsetzung des Konzepts sind im Grenzfall sämtliche Mitarbeiter betroffen. Demgemäß kommt dieser Phase eine entscheidende Bedeutung für den Projekterfolg zu. Mit der Umsetzung kann erst begonnen werden, wenn gegebenenfalls die erforderlichen Mitbestimmungsergebnisse erreicht wurden. Da nicht alle Probleme gleichzeitig gelöst bzw. angepackt werden können, sind Prioritäten unter den verschiedenen (Teil-)Projekten zu bilden. Dies führt zu der Unterscheidung von prioritären Vorhaben (Basisprojekten) und Folgeprojekten. Mit der Realisierung dieser Projekte werden Schritt für Schritt (evolutionär) die Wandlungsbedarfe gedeckt und die Wandlungsziele erreicht.
Verstetigung
Charakteristik: Am Ende der Umsetzungsphase steht das Ausklin- gen des Wandlungsprogramms, keinesfalls jedoch das Ende der Unternehmungsentwicklung. Der erreichte Zielzustand ist kein ‚Endzustand‘. Wandel muss zu einem Dauerthema gemacht wer- den. Welchen Stellenwert kontinuierlicher Wandel im Management mittlerweile besitzt, kommt auch in der Befragung europäischer Führungskräfte durch Capgemini zum Ausdruck. 86% der Befragten vertraten die Auffassung: „business transformation has become a central way of working“ (Capgemini 2008, S. 7). Daher endet das hier zugrunde gelegte Prozessmodell des Wandels nicht wie noch in dem berühmten Modell von Lewin (vgl. 1947) mit einem ‚Refreezing’ des erzielten Wandlungsergebnisses, sondern mit der Verstetigung im Sinne einer kontinuierlichen Weiterentwicklung.
Erste Voraussetzung hierfür ist, dass die erreichten Wandlungser- gebnisse beibehalten werden und kein Rückfall in alte Zustände und schlechte Gewohnheiten zu verzeichnen ist.
Die zweite Voraussetzung liegt darin, die erworbene Wandlungsbe- reitschaft und Wandlungsfähigkeit nicht erlahmen bzw. veralten zu lassen. Kontinuierliche, aktive Weiterentwicklung eines Systems verlangt zwangsläufig auch ein Aufrechterhalten der Wandlungsbe- reitschaft und eine Pflege der Wandlungsfähigkeit der Beteiligten.
Quelle und weitere Informationen: Krüger W. (2009) Strategische Erneuerung: Programme, Prozesse, Probleme. In: Excellence in Change. uniscope. Die SGO-Stiftung für praxisnahe Managementforschung. Gabler, S. 70-82