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Life Sciences und
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CAST OFF - Schokolade von Kakao-Zellkulturen

Die industrielle Landwirtschaft und ihr Verhältnis zur Natur hinterlassen auf vielfältige Art und Weise markante Spuren in unserem Lebensraum. Ist es daher möglich die Kultivierung von Lebensmitteln neu zu denken, ohne dabei deren Ursprung mit Grund und Boden in Verbindung zu bringen? Eine Grundsatzfrage, die den Ausgangspunkt des Forschungsprojektes «CAST OFF - Schokolade von Kakao-Zellkulturen» markiert.

Die Zelle als Quelle

Auf der Suche nach möglichen Ansätzen dieses Verhältnis neu zu kultivieren, haben wir ein vielversprechendes Potenzial in der Zellkulturtechnik gefunden. Diese Technik erlaubt es, Zellen von jeder Pflanzenart ausserhalb ihrer natürlichen Umgebung zu züchten und in einem Bioreaktor zu kultivieren. Die Herstellung von Arzneimitteln, Kosmetika und Lebensmitteln, die aus Pflanzenzell- und Gewebekulturen auf natürliche und nachhaltige Weise gewonnen werden, hat bereits eine lange Tradition. Im Kontext der Schweiz naheliegend, hat das Zentrum für Lebensmittelkomposition und Prozessdesign des ILGI (Prof. Tilo Hühn) zusammen mit der Fachstelle für Bioverfahrenstechnik und Zellkulturtechnik des ICBT (Prof. Dr. Regine Eibl und Prof. Dr. Dieter Eibl) im Rahmen einer Masterarbeit von Irene Stutz am ICBT und einer Doktorarbeit von David Schildberger an der ETH Zürich, CAAD (Prof. Dr. Ludger Hovestadt) begonnen, über die Kultivierung von Kakao zur Herstellung von Schokolade nachzudenken. Die Wertschöpfungskette der Schokolade ist gegenwärtig in zwei Bereiche unterteilt. Die Kakaofrüchte werden im jeweiligen Anbauland geerntet und die daraus gewonnenen Kakaosamen vor Ort fermentiert. Anschließend werden jene für die weitere Verarbeitung und Veredelung hin zur Schokolade in die Verbraucherländer transportiert. Im Gegensatz dazu könnte es die Zellkulturtechnik ermöglichen, die Natur als einmalige Quelle und nicht als konsumierbare Ressource zu begreifen.

Kultivierung, ad infinitum

Für die Etablierung der Zellkulturen haben wir frisch geerntete aber noch unreife Theobroma-Kakaofrüchte von der «Tropical Agriculture Research Station» in Puerto Rico bezogen. Die Zellkulturen wurden zuerst als Kalluskulturen von den Kakaosamen induziert und alle zwei bis vier Wochen auf einem neuen Medium subkultiviert. Dadurch kann das weitere Zellwachstum sowie die Zellteilung unbeschränkt gewährleistet werden. Um die notwendige Menge an Kakaozellbiomasse für die Schokoladenherstellung zu erzeugen wurde im weiteren Verlauf mit der Kultivierung von Suspensionskulturen fortgefahren. Nach 16 Tagen in einen wellengemischten 20-Liter Einweg-Bioreaktor wurden ungefähr 300 g Kakaobiomasse geerntet, von der Kulturbrühe getrennt, gespült und gefriergetrocknet. Das Kakaozellmaterial wurde anschliessend inkubiert. Dies gilt als Alternative zur mikrobiellen Fermentation von Kakaobohnen, die im allgemeinen als essentiell für die Entwicklung typischer Schokoladenaromen angesehen wird. Abschliessend wurde aus der Kakaobiomasse Modellschokolade hergestellt.

Eine Artikulation des Kakaospektrums

Eine erste Inhaltsstoffanalyse der Kalli zeigte, dass ein großer Teil der Aminosäuren und der wichtigsten Kohlenhydrate in allen Proben vorhanden waren. Die Polyphenolkonzentrationen konnten im Vergleich zum Ursprungsmaterial gleich oder sogar höher nachgewiesen werden. Die Alkaloide Koffein und Theobromin waren in Abhängigkeit der gewählten Kultivierungsparameter und Medienzusammensetzung in geringeren Konzentrationen vorhanden oder waren unter der Nachweisgrenze. Eine erste sensorische Evaluation der Schokolade zeigte ein intensives und komplexes Aroma mit einem vorherrschen von Zitrus- und Beerenaromen auf. Darüber hinaus wurden laktische, malzige, grünliche und pflanzliche Noten sowie eine leicht saure Komponente dem sensorischen Profil zugeschrieben.

Der Ausblick

Zukünftige Studien sollen nun weitere Aufschlüsse über die Steigerung der Prozesseffizienz und deren Skalierbarkeit sowie über die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe und der flüchtigen Aromaverbindungen ergeben. Bisher konnten wir das große Potenzial einer Technik für die, aus dem derzeitigen Kontext herausgelöste, «ad infinitum» Kultivierung von Kakao entdecken. Die Technik verhilft damit auch neuen im Kakao inhärenten natürlichen Aromaspektren zum Ausdruck und ermöglicht eine weitere Luxurierung von Kakao und Schokolade.

Eine Publikation zum Thema Pflanzenzellkulturen in der Kosmetik und Lebensmittelindustrie mit dem Titel „Plant cell culture technology in the cosmetics and food industries: current state and future trends“ ist als Mini-Review im August 2018 im Journal „Applied Microbiology and Biotechnology“ erschienen. Hier der Link zum «Open Access» Artikel: https://link.springer.com/article/10.1007/s00253-018-9279-8