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Bedrohte Artenvielfalt: Ein Paradox verschleiert den Rückgang

Obwohl die biologische Vielfalt weltweit in alarmierendem Tempo verlorengeht, stellen viele Studien auf lokaler Ebene keine signifikanten Rückgänge bei Tier- und Pflanzenarten fest. Doch der Schein trügt.

Eine im Fachmagazin Nature publizierte Studie hat dieses Paradox für den Zeitraum der letzten 100 Jahre untersucht und zeigt für Deutschland eine besorgniserregende Entwicklung: Bei 1011 Pflanzenarten haben die Bestände abgenommen, bei 719 Pflanzenarten zugenommen. Das heisst: Es gab 41 Prozent mehr Verlierer als Gewinner. Es erscheint gemäss dem Experten für Vegetationsökologie am IUNR, Prof. Dr. Jürgen Dengler, wahrscheinlich, dass in der Schweiz eine ähnliche Entwicklung stattgefunden hat.

Weshalb kommen lokale Studien häufig zu einem anderen Schluss? Werden beispielsweise in einem Moor oder auf einer Magerwiese die speziell angepassten Überlebenskünstler von weit verbreiteten Arten verdrängt, bleibt die Zahl der Arten in der Bilanz häufig gleich. Trotzdem geht damit ein Stück Vielfalt verloren, weil sich die einst sehr unterschiedliche Vegetation verschiedener Lebensräume immer ähnlicher wird.

An der Studie beteiligte sich ein Team unter Leitung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv). Daran mitgearbeitet hat auch Prof. Dr. Jürgen Dengler. Er ist aktuell an einem SNF-Projekt beteiligt, das ähnliche Fragestellungen mit einem weltweit einmaligen, zeitlich noch weiter zurückreichenden Datensatz bearbeitet.

Das Projekt «SquareFoot» zielt darauf ab, die Veränderungen der Artenvielfalt im Grünland der Schweiz über mehr als ein Jahrhundert zu quantifizieren und die Faktoren sowie deren Bedeutung zu untersuchen. Während die Tatsache des Rückgangs an sich unbestritten ist, ist es unklar, wie stark beispielsweise Landnutzungswandel, Klimawandel oder Nährstoffanreicherung dazu beigetragen haben.

Im Rahmen von «SquareFoot» haben die Doktorierenden Susanne Riedel, Agroscope, und Stefan Widmer, IUNR, sowie weitere wissenschaftliche Mitarbeitende des IUNR im Laufe der letzten beiden Jahre viele Hundert Vegetationsaufnahmen in Gebieten angefertigt, in denen es sehr genaue historische Daten aus dem Zeitraum von 1870 – 1930 gab, verteilt über alle Höhenstufen und vom Feuchtgrünland bis hin zu Trockenrasen.