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Life Sciences und
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Agri-Photovoltaik funktioniert

An der zweiten nationalen Fachtagung «Agri-Photovoltaik» der ZHAW beleuchteten Fachleute Chancen und Risiken für die Implementierung von Agri-Photovoltaiksystemen in der Schweizer Landwirtschaft aus raumplanerischer, agronomischer sowie technischer Sicht. Die vorgestellten Projekte zeigten, dass Agri-Photovoltaik funktioniert. Rechtlich ist aber noch einiges unklar.

Die ZHAW hatte am 21. August 2024 zur zweiten nationalen Fachtagung «Agri-Photovoltaik» eingeladen. Unter den über 70 Teilnehmenden waren Fachpersonen aus der Land- und Energiewirtschaft sowie der Raumplanung. Agri-Photovoltaik (kurz Agri-PV) ist die Kombination von landwirtschaftlicher Produktion und Stromerzeugung auf derselben Fläche. Dabei sollen Nahrungsmittelsicherheit und Energieproduktion zum gegenseitigen Nutzen integriert werden.

Photovoltaik kann zusätzlichen Strombedarf liefern
In der Einführung zeigte Jürg Rohrer, Dozent für Erneuerbare Energien an der ZHAW, warum Agri-PV und die Diskussion dazu wichtig sind. Um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen, muss im Energiebereich dekarbonisiert werden, womit der Strombedarf massiv steigen wird. Prognostiziert wird ein Zusatzbedarf von 40 bis 50 TWh. Das grösste Potenzial liegt in der Schweiz bei der Photovoltaik, vor allem bei der Agri-Photovoltaik. Gemäss der neuesten Analyse der ZHAW liegt das theoretische Potenzial bei über 320 TWh pro Jahr. 
Mareike Jäger, Dozentin für Regenerative Landwirtschaftssysteme an der ZHAW, warf in ihrem Referat zuerst einen Blick ins benachbarte Ausland, wo Agri-PV sehr populär ist und vor allem der PV auf Freiflächen vorgezogen wird. In der Schweiz ist es noch sehr zögerlich. Sie erläuterte, wie die ZHAW-Analyse für das theoretische Potenzial von Agri-PV ermittelt wurde. Dabei wies sie darauf hin, dass nur etwa 1 Prozent der Ackerfläche oder Dauerkulturfläche bzw. 2,5 Prozent der Dauergrünlandfläche auf Agri-PV Nutzung umgestellt werden müssten, um bereits ungefähr 10 Prozent des für 2050 prognostizierten Energiebedarfs zu decken.

Blick ins europäische Ausland
Ronald Knoche vom Agri-PV-Unternehmen REMTec, das eigene, patentierte Technologien zur Kombination von Landwirtschaft und Energieerzeugung betreibt, berichtete über ihre Resultate zu Feldversuchen unter doppelachsigen Agri-PV-Anlagen. So beobachteten sie eine signifikante Reduktion des Wasserverbrauchs bei Kulturen mit Bewässerungsanlagen; bei Tomaten und Kürbis bis 60 Prozent. Zudem zeigte eine Untersuchung mit Salat, dass Durchschnittsvolumen und Frischgewicht in den schattigen Bereichen sowohl bei Vollbewässerung wie bei Teilbewässerung höhere Werte zeigten. 

Rechtliche Rahmenbedingungen und praktische Umsetzung
Beatrix Schibli von der ZHAW School of Management and Law erläuterte die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen. Zentral sind die Ausführungen in der Raumplanungsverordnung zu Bauen ausserhalb der Bauzone. Sie wies auch darauf hin, dass die Revision aktuell in der Vernehmlassung ist und darin ein neuer Artikel die Rahmenbedingungen für Agri-PV präzisiert. Jonas Büchel berichtete, wie sie im Kanton Thurgau die Vorgaben im Raumplanungsgesetz umsetzen. Dazu haben sie eine Richtlinie für standortgebundene Solaranlagen ausserhalb der Bauzonen ausgearbeitet und darin auch Begriffe aus dem Raumplanungsgesetz präzisiert. Rainer Jahnke als Vertreter des Kantons Schaffhausen präsentierte zusammen mit Dionis Anderegg, wissenschaftlicher Mitarbeiter der ZHAW, wie mit einem Onlinetool das Potenzial für Agri-PV im Kanton Schaffhausen visualisiert wird. 

Praxisbeispiele zu Projektentwicklung und Grünlandbewirtschaftung
Der Nachmittag gehörte der Praxis mit Beispielen aus der Schweiz und dem Ausland. Zuerst führte ein Rundgang zu den geplanten bzw. bereits realisierten Agri-PV-Anlagen auf dem Gelände der ZHAW. Danach ging es weiter mit dem Referat von David Altner von EIC Partners, der aus der Praxis der Projektentwicklung in Deutschland und der Schweiz berichtete. Johannes Huber von der Österreich-Niederlassung von Next2Sun berichtete über praktische Erfahrungen aus der Grünlandbewirtschaftung mit ihrem System mit vertikalen bifazialen Modulen. Diese werden grösstenteils in Ost-West-Ausrichtung aufgestellt, womit die Haupt-Stromproduktion morgens und abends stattfindet. Er zeigte ein Projekt aus Deutschland mit Heuernte, bei dem 2022 kein signifikanter absoluter Ertragsverlust auf der Gesamtfläche gemessen wurde, trotz 10 Prozent «Flächenverluste» durch Biodiversitätsstreifen.

Agri-PV für Beeren und andere Spezialkulturen
Auf dem Landwirtschaftsbetrieb bioschmid gmbh im Kanton Luzern wachsen Himbeeren unter Solarpanelen. Heinz Schmid erläuterte in seiner Präsentation, wie sie in den letzten Jahren Agri-PV-Anlagen auf über 0,72 Hektaren realisiert haben. Es werden drei verschiedene Agri-PV-Systeme wissenschaftlich begleitet und verglichen. Tobias Beeler von Insolight stellte Erkenntnisse aus den ersten Bauprojekten und agronomische Resultate aus drei Jahren Forschung vor. Dabei berichtete er vor allem über Projekte im Wallis, die sie zusammen mit Agroscope durchführen, und bei denen es ebenfalls um Beeren sowie Obstkulturen geht. Er zeigte die verschiedenen Vorteile der Agri-PV auf. Diese sind vor allem für den Umgang mit dem Klimawandel, der die Landwirtschaft stark fordert, interessant. Auch sie stellten Vorteile beim Wasserverbrauch fest. Zudem wies Tobias Beeler darauf hin, dass mit Agri-PV Temperaturspitzen, also Frost und grosse Hitze, gemindert werden können. 

Appell, nun Anlagen zu realisieren
Die Fachtagung zeigte, dass Agri-PV funktionieren kann und Vorteile für die Landwirtschaft bringt, auch im Umgang mit dem Klimawandel. Gefragt sind nun eine stärkere Zusammenarbeit aller Partner und auch der Dialog. Und vor allem geht es darum, Anlagen zu realisieren, um mehr praktisches Wissen zu generieren und den künftigen Strombedarf aus erneuerbaren Energien zu decken.
Die nächste Fachtagung «Agri-Photovoltaik» wird am 24.10.2025 stattfinden. 

⇒ Website Fachtagung Agri-PV  
⇒ Online-Visualisierungstool des Kantons Schaffhausen 

Downloads

Fachkontakt

  • Mareike Jäger, Leiterin Forschungsgruppe Regenerative Landwirtschaftssysteme, Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen, ZHAW-Departement Life Sciences und Facility Management. 058 934 58 95. E-Mail mareike.jaeger@zhaw.ch

Medienkontakt

  • Beatrice Huber, Media Relations ZHAW-Departement Life Sciences und Facility Management, 058 934 53 66, beatrice.huber@zhaw.ch