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Fachliche Zusammenfassung der 10. Wädenswiler Lebensmittelrecht-Tagung: Global Food Legislation – Das Lebensmittelrecht globaler Exportmärkte

Die 10. Wädenswiler Lebensmittelrecht-Tagung der ZHAW betrachtete das Lebensmittelrecht verschiedener Drittstaaten. Über 130 Teilnehmende aus Industrie, Verwaltung, Handel, Beratung und weiteren interessierten Kreisen liessen sich die Gelegenheit nicht entgehen, aus erster Hand eine Einführung in das Lebensmittelrecht von Brasilien, China, Japan, Russland und den USA zu erhalten und wichtige Fragestellungen in Zusammenhang mit diesen Lebensmittelrechtsordnungen zu diskutieren. Den Einstieg zur Jubiläumstagung bildete ein Referat aus Schweizer Sicht zur handelspolitischen Dynamik, die für exportierende Firmen der Lebensmittelbranche von besonderer Bedeutung ist.

Die Jubiläumstagung führte die ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Zusam­menarbeit mit dem Europa Institut der Universität Zürich durch. Dies, weil die Tagungsleiterin Evelyn Kirchsteiger-Meier, Dozentin und Leiterin der Fachstelle Qualitätsmanagement und Lebensmittelrecht, zusammen mit Dr. Tobias Baumgartner, Vize-Direktor des Europa Instituts, im Juli 2014 das englisch­sprachige Fachbuch «Global Food Legislation. An Overview» (Wiley-VCH Verlag) herausgegeben hat. Die Publikation dieses Fachbuches bildete den Hintergrund für die Tagung. Einen Grund für das Tagungs­thema stellte auch die Tatsache dar, dass Teilnehmende aus vergangenen Tagungen regelmässig den Wunsch geäussert hatten, das Lebensmittelrecht wichtiger Exportmärkte zu beleuchten.

Wichtiger Treffpunkt für die Branche

In ihrem Grusswort blickte Prof. Dr. Corinne Gantenbein-Demarchi, Leiterin des Zentrums für Lebensmittel- und Ernährungsforschung, auf die vergangenen Wädenswiler Lebensmittelrecht-Tagungen zurück. Sie stellte fest, dass die Tagung der jährliche Treffpunkt der Lebensmittelrecht-Fachleute ist, bei dem man Infor­mationen von qualifizierten Referentinnen und Referenten im Lebensmittelrecht erhält, sich vernetzt und austauscht. Die kontinuierliche Weiterbildung sowie der Austausch in einem lebendigen Netzwerk von Spezialistinnen und Spezialisten sind gerade für das dynamische und sich ständig weiterentwickelnde Fachgebiet des Lebensmittelrechts von zentraler Bedeutung.

Zwei Säulen der Schweizer Handelspolitik

Der Einstiegsvortrag von Dr. Tim Kränzlein, stellvertretender Leiter Fachbereich Internationale Handels­politik im Bundesamt für Landwirtschaft (BLW), beleuchtete die zwei Säulen der Schweizer Aussen­handelspolitik: die multilaterale Schiene (Welthandelsorganisation WTO) und die bilaterale Schiene (Freihandelsabkommen). Was die Freihandelsabkommen betrifft, so hat die Schweiz gegenwärtig 28 Abkommen mit 38 Partnern abgeschlossen. Trotz der Abkommen können jedoch administrative Hürden  für exportwillige Firmen bestehen, wie Dr. Kränzlein dies etwa am Beispiel der Milchprodukte-Exporte  nach China erläuterte. Für diese Milchprodukte sind erfolgreiche Einzelinspektionen in den interessierten Betrieben durch chinesische Behörden als Voraussetzung für den Export notwendig. Weiter informierte Dr. Kränzlein über die Arbeitsgruppe (AG) Agroexport, welche als Anlaufstelle für Firmen im Zusammenhang mit Exporten von Nahrungsmitteln und Agrarprodukten dient und eine Plattform der Bundesverwaltung und der relevanten Branchenverbände ist (www.blw.admin.ch/themen/01344/01347/index.html, 27.05.2015).

Globales Lebensmittelrecht vertieft

Die nachfolgenden Länderreferate boten den Teilnehmenden eine grundlegende Einführung in das Lebens­mittelrecht der ausgewählten Exportmärkte. Die eingeladenen Referentinnen und Referenten, teilweise zugleich Autorinnen und Autoren des entsprechenden Kapitels in der erwähnten Buchpublikation «Global Food Legislation», vermittelten Informationen zu folgenden Bereichen:

  • Lebensmittelrechtliche Grundlagen und wichtige Rechtsakte
  • Zuständige Behörden
  • Wichtige Regelungsbereiche des jeweiligen Lebensmittelrechts, beispielsweise hinsichtlich Hygiene, Lebensmittelsicherheit, Kennzeichnung, Dokumentation
  • Allenfalls weitere Aspekte von besonderem Interesse

Die Referentinnen und Referenten zu den Länderreferaten waren:

  • USA: Gary Jay Kushner, Partner, Hogan Lovells US LLP, Washington
  • Brasilien: Anneliese Moritz, Felsberg Advogados, São Paolo
  • Russland: Oleg Zhabinski, Rehau Gruppe, Moskau
  • Japan: Prof. Dr. Moritz Bälz, Goethe-Universität Frankfurt am Main
  • China: Dr. Juanjuan Sun, Renmin University of China, Beijing

Grundsätzlich wurde im Rahmen der Länderreferate auch das Bewusstsein gefördert, dass die Rechts­vorschriften immer im Kontext der Kultur des entsprechenden Landes, des politischen Systems, der Intrastruktur und der zugehörigen Institutionen verstanden werden müssen. Nachfolgend ist eine Auswahl der vorgestellten Regelungsbereiche vergleichend dargestellt:

Lebensmittelhygiene und Lebensmittelsicherheit

Die Verpflichtung, ein System nach den HACCP-Grundsätzen auszuarbeiten und umzusetzen, ist in den betrachteten Ländern in unterschiedlichem Ausmass vorhanden. In den USA war bis anhin die Anwendung des HACCP-Konzeptes bis auf wenige Ausnahmen [1] nicht verpflichtend vorgeschrieben. Mit der Verab­schiedung des von Präsident Obama im Januar 2011 unterzeichneten Food Safety Modernization Acts (FSMA) [2] wurde ein Gefahrenbeherrschungssystem nach HACCP-Vorbild – genannt HARPC (Hazard Analysis and Risk-Based Preventive Controls) – für alle von der FDA regulierten Betriebe verpflichtend vorgeschrieben. In Brasilien sind HACCP-ähnliche Regelungen in den von der ANVISA (Nationale Behörde der öffentlichen Gesundheit; Agência Nacional de Vigilância Sanitária [3] herausgegebenen «allgemein bewährten Herstellungspraktiken» für einige Produktgruppen enthalten, beispielsweise für Erdnüsse oder Obstkonserven.

Für Russland ist eine wichtige Rechtsvorschrift im Zusammenhang mit der Lebensmittelhygiene und  -sicherheit der «Beschluss über die Anwendung von Sanitärmassnahmen» [4], der allgemeine Vorschriften zum hygienischen Umgang mit Lebensmitteln enthält; HACCP ist indes nicht speziell erwähnt. In Japan kann seit 1995 der sogenannte «comprehensive sanitation management and production process» durch das MHLW (Ministry of Health, Labor and Welfare [5]) pro Betrieb genehmigt werden; dies wird als japanische Variante des HACCP bezeichnet (festgehalten in Art. 13 des Food Sanitation Law, FSL [6]; während in China HACCP nicht verpflichtend vorgeschrieben ist. Die grundlegende Rechtsvorschrift zum Thema Lebens­mittelhygiene und Lebensmittelsicherheit bildet das 2009 verabschiedete Food Safety Law of the People’s Republic of China [7].

[1] Die Ausnahmen betreffen die von der Food and Drug Administration (FDA) regulierten Betriebe: Hersteller von Fruchtsäften, Meeresfrüchte-Verarbeiter, Hersteller von säurearmen Konserven und Lebensmitteln mit hohem Säuregehalt, sowie alle vom US Departement of Agriculture (USDA) regulierten Betriebe (fleisch- und geflügelverarbeitende Betriebe sowie Betriebe, die verarbeitete Eiprodukte herstellen).

[2] Pub. L. No. 111-353. Der FSMA ändert den Federal Food, Drug and Cosmetic Act (FD&C Act) im Bereich der Lebensmittelhygiene und Lebensmittelsicherheit. www.fda.gov/Food/GuidanceRegulation/FSMA/ucm247548.htm [zuletzt abgerufen: 27.05.2015].

[3] portal.anvisa.gov.br/wps/portal/anvisa/anvisa/home [zuletzt abgerufen: 27.05.2015].

[4] Customs Union Resolution «On application of sanitary measures in the Customs Union» («O primenenii sanitarnych mer v Tamoyhennom soyuze») No. 299 of 28 May 2010).

[5] www.mhlw.go.jp/english/ [zuletzt abgerufen: 27.05.2015].

[6] Nicht offizielle englische Übersetzung des Food Sanitation Law unter www.japaneselawtranslation.go.jp  [zuletzt abgerufen: 27.05.2015],  z.B. zu finden mit dem Stichwort «sanitation».

[7] Nicht offizielle englische Übersetzung des Food Safety Law of the People’s Republic of China z.B. unter www.fas.usda.gov/gainfiles/200903/146327461.pdf [zuletzt abgerufen: 27.05.2015].

Kennzeichnung

Was die Kennzeichnung vorverpackter Produkte betrifft, wurden von den Referentinnen und Referenten unter anderem die Pflichtangaben für die betrachteten Länder dargelegt. Diese Pflichtangaben sind:

  • USA: «Statement of identity», Nettogewicht, Nährwertangaben, Informationen über den Hersteller („signature line“), Zutatenliste [8]. Zudem ist erwähnenswert, dass das USDA die Etiketten derjenigen Betriebe, die ihm unterstellt sind, vor der Inverkehrbringung bewilligt.
  • Brasilien: Artikelbezeichnung nach entsprechender ANVISA-Verordnung, Herkunftsland, Marken­zeichen, Nettogewicht, ANVISA-Registrierungsnummer, Name und Anschrift des Herstellers, Liste der Zutaten, Tag der Herstellung, Haltbarkeitsdatum und Chargennummer, Nährwertinformation und gegebenenfalls weitere Informationen (z.B. hinsichtlich GVO [9]).
  • Russland: Zutatenliste, GVO falls zutreffend, Nährwertkennzeichnung, beabsichtigter Zweck, Zubereitungsmethode für Fertiggerichte, Datum und Ort der Herstellung, Gegenanzeigen im Falle bestimmter Erkrankungen [10].
  • Japan: Ein neues Kennzeichnungsrecht ist seit 1. April 2015 in Kraft; es fasst 58 frühere Regel­werke zusammen. Gemäss neuem Recht sind die Pflichtelemente der Kennzeichnung: Bezeich­nung des Lebensmittels, Zutaten, Allergene, GVO falls zutreffend, Zusatzstoffe, Füllmenge, Mindesthaltbarkeits-/Verbrauchsdatum, Aufbewahrungshinweise, Herkunftsland/-ort, Angaben zum Hersteller, Vertriebshändler oder Importeur, Nährwertangaben [11].
  • China: Bezeichnung des Lebensmittels, Zutatenliste, Nettogewicht, Adresse und Kontaktinfor­mationen zum Hersteller oder Verteiler, Tag der Herstellung und Mindesthaltbarkeitsdatum, Aufbewahrungshinweise, Lizenznummer des Herstellers, Code des Produkt-Standards [12].

[8] Für weitere Informationen, vgl. FDA’s Food Labeling Guide unter  www.fda.gov/Food/GuidanceRegulation/GuidanceDocumentsRegulatoryInformation/LabelingNutrition/ucm2006828.htm [zuletzt abgerufen: 27.05.2015].

[9] Rechtsgrundlage: Art. 31 Brazilian Consumer Code (CDC), Federal Law No. 8.078/1990.

[10] Rechtsgrundlage: «On quality and safety of foodstuffs» («O kachestve i bezopasnosti pishchevykh produktov») No. 29-FZ of 2 January 2000 sowie Vorschriften der EAWU( Eurasische Wirtschaftsunion).

[11] Rechtsgrundlage: Food Labeling Law and Food Labeling Standard (Kabinettsverordnung Nr. 10/2015).

[12] Rechtsgrundlage: General Rules on Labels of prepacked food (GB7718-2011).

Rückverfolgbarkeit

Eine Verpflichtung zur Rückverfolgbarkeit als Element des Lebensmittelsicherheitssystems, wie sie im schweizerischen und EU-Lebensmittelrecht vorhanden ist («ein Schritt vorwärts – ein Schritt zurück» [13]), besteht in den betrachteten Ländern in ähnlicher Weise in China [14]. In Japan besteht die Verpflichtung zur Rückverfolgbarkeit nur für Rindfleisch und Reisprodukte [15]; daneben bestehen diverse Rückverfolg­barkeitssysteme auf freiwilliger Basis.

[13] Vgl. Art. 18 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1–24); Art. 50 Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung (LGV), SR. 817.02.

[14] Vgl. Art. 36 und 37 Food Safety Law of the People’s Republic of China.

[15] Rechtsgrundlage: Rice Traceability Law and Beef Traceability Law.

Ausblick Tagung 2016

Viele Teilnehmende äusserten in ihren Rückmeldungen den Wunsch, das Thema Export in künftigen Veranstaltungen zu vertiefen. Diesem Wunsch kommt die Tagungsleitung bei Gelegenheit gerne nach. Vertiefte Informationen zu den betrachteten Lebensmittelrechtsordnungen können auch im erwähnten Buch «Global Food Legislation» (Auch als elektronische Kindle-Version) oder im direkten Kontakt mit den Referentinnen und Referenten gewonnen werden. Die 11. Wädenswiler Lebensmittelrecht-Tagung, die im Mai 2016 geplant ist, wird voraussichtlich wieder Themen zum Schweizer und/oder EU-Lebensmittelrecht aufgreifen.

Downloads, Bilder © Foto Tevy

Kontakt für Fachfragen

Evelyn Kirchsteiger-Meier, Dozentin und Leiterin Fachstelle QM und Lebensmittelrecht, ZHAW, Wädenswil, Direktwahl 058 934 57 04, evelyn.kirchsteiger-meier@zhaw.ch

Medienstelle ZHAW in Wädenswil

Cornelia Sidler, Media Relations Departement Life Sciences und Facility Management, ZHAW, Wädenswil, Telefon 058 934 53 66, E-Mail cornelia.sidler@zhaw.ch