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Wädenswiler Weintage: Zwischen Pflanzenschutz und Naturweinen

Der Pflanzenschutz ist aufgrund von Volksinitiativen und des Aktionsplans Pflanzenschutzmittel im Gespräch. Inzwischen bieten trendige Gastronomen unbehandelte Naturweine an. Diese werden in den Weinjournalen kontrovers besprochen. Wo liegt die Grenze zwischen Weinfehlern und den Eigenheiten der Naturweine? An den Wädenswiler Weintagen vom 11. und 12. Januar 2018 wurden verschiedene Aspekte dieses Themas angesprochen.

Die Themen Pflanzenschutz und Umstellung auf Bio bewegen offensichtlich die Branche. 240 Teilnehmende konnte Tagungsleiter Peter Schuhmacher, Leiter der ZHAW-Forschungsgruppe Weinbau, in der vollbesetzten Aula zu den Wädenswiler Weintagen begrüssen. Der Einsatz von Pflanzenschutz­mitteln im Weinbau wird in der Öffentlichkeit immer kritischer gesehen. Für gleich zwei Initiativen rund um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln werden Unterschriften gesammelt. Die eine lautet «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide», die andere «Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung». Auch der Bund hat die Thematik aufgegriffen und den «Aktionsplan zur Risikoreduktion und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln» lanciert, der an der Tagung von Jan Waespe vom Bundesamt für Landwirtschaft präsentiert wurde. Die vorgestellten Massnahmen im Bereich Herbizide und Fungizide werden mit Bundesbeiträgen gefördert. Aber auch das Monitoring und die Kontrollen sollen ausgebaut und eine Weiterbildungspflicht eingeführt werden. Die weiteren Vorträge zeigten die Möglichkeiten auf, wie im Weinbau die Risiken für Mensch und Umwelt reduziert werden können. Neben der Umstellung auf Bio wurden die Applikationstechnik und der gezielte Einsatz der Pflanzenschutzmittel angesprochen. Die effektivste Massnahme zur Reduktion von Fungiziden im Weinbau ist sicherlich der Einsatz von pilzwiderstandsfähigen Rebsorten. Dieser Aspekt wurde an den Wädenswiler Weintagen 2016 beleuchtet und daher dieses Jahr nicht thematisiert.

Das Thema Weinfehler wurde aus verschiedensten Blickwinkeln erörtert. Zum Beispiel präsentiere Florian Favre, Önologie-Berater des Kantons Genf, detailliert, wie die zugesandten Weine analysiert und welche Massnahmen zur Behebung von Weinfehlern vorgeschlagen werden.

Unterschiede zwischen biologisch und integriert produzierten Weine

Den Einstieg in den ersten Teil der Tagung, den Rebbautag, machte Randolf Kauer von der Hochschule Geisenheim University (D) mit den Resultaten des Langzeit-Feldversuchs INBIODYN. Ziel des 2006 gestarteten Versuchs ist es, langfristig die Auswirkungen der Bewirtschaftungssysteme «integriert», «bio-organisch» und «bio-dynamisch» auf die vegetative und generative Leistung der Rebe sowie auf die Weinqualität zu untersuchen. Über Mittag konnten die entsprechenden Weine (Rebsorte Riesling, Jahrgang 2016) der drei Verfahren verkostet werden. Gegen 150 Personen nutzten die Gelegenheit und verhalfen Randolf Kauer zur Prüfung mit der grössten Stichprobe. Die Umfrage am Nachmittag zeigte, dass die Unterschiede zwischen den verschieden angebauten Weinen relativ gering sind und die Präferenzen im Publikum vergleichbar verteilt waren. Bei einer umfangreichen Verkostung der Jahrgänge 2009 bis 2013 wurden jedoch signifikante Unterschiede zwischen den Weinen aus bio-organischer und biologisch-dynamischer Wirtschaftsweise im Vergleich zur integrierten Variante festgestellt. Die Bio-Weine wurden als signifikant intensiver im Aroma bewertet.

Beim vegetativen Wachstum zeigte sich ein ähnliches Bild. Zwischen den beiden Bio-Varianten gab es keine signifikanten Unterschiede. Jedoch wies das integrierte Verfahren einen verstärkten Wuchs gegenüber dem biologischen Anbau auf.

Der geringere Wuchs bei der Bio-Produktion hatte folgende Auswirkungen:

  • Weniger Blätter bei den Geiztrieben und eine allgemein besser durchlüftete Laubwand,
  • ein im Schnitt um 24,5 Prozent reduzierter Ertrag bedingt durch die verringerte Beerenzahl pro Traube und einem reduzierten Einzelbeerengewicht.
  • Folglich ein tendenziell höheres Mostgewicht
  • Kein Unterschied bezüglich des Graufäule-Befalls, obwohl beim integrierten Verfahren spezifische Fungizide gegen Graufäule (Botrytizide eingesetzt wurden.

Die geringere Befallshäufigkeit bei der Essigfäule hingegen wird auf den erhöhten Kupfereinsatz zurückgeführt. Zusammenfassend hielt der Referent fest, dass die Unterschiede zwischen bio-organischer und bio-dynamischer Bewirtschaftung in der Regel nicht signifikant bzw. nur tendenziell vorhanden sind. Dies bestätigt sich durch die geringen Unterschiede, die bei der Mittags-Degustation der Weine festgestellt wurden.

Weinbauzentrum Wädenswil ist gestartet

Am ersten Tag stellte Tagungsleiter Peter Schumacher Peter Märki vor, der seit 1. Januar 2018 die Geschäftsleitung des neu gegründeten Weinbauzentrums Wädenswil (WBZW) übernommen hat und über den Stand der Arbeiten informierte. Erste Projekte wurden sowohl im Weinbau wie auch in der Weinbereitung initiiert. Märki betont die Wichtigkeit der Partnerschaft mit den bestehenden Organisationen vor Ort: Agroscope, Branchenverband Deutschschweizer Wein, Strickhof und ZHAW. Zusammen mit dem Weinbauzentrum bilden sie in Wädenswil künftig ein erweitertes Zentrum rund um das Thema Wein.

Versuche im Pflanzenschutz

Der Programmpunkt Pflanzenschutz wird traditionellerweise von den Fachleuten der Agroscope bestritten. Michael Gölles startete mit einem Rückblick auf das Rebjahr 2017, das von Extremen geprägt war: einerseits von überdurchschnittlichen Temperaturen und andererseits von den verheerenden Frostnächten im April. So konnten zum Beispiel im Kanton Basel-Land nur knapp 20 Prozent einer Normalernte eingebracht werden. Daneben spielten die anderen Schadursachen nur eine Nebenrolle. Bei unbehandelten Reben waren Mitte September 50 Prozent der Blauburgunder-Trauben vom Falschen Mehltau befallen und 15 Prozent vom Echten Mehltau. Damit war 2017 diesbezüglich ein wesentlich einfacheres Jahr als 2016. Deutlich stärker trat hingegen die Fäulnis auf. Das plötzliche Auftreten zu Beginn der Erntezeit weckte grosse Befürchtungen, doch glücklicherweise hielt sich der Befall in Grenzen. Spannend waren Gölles‘ Resultate aus den Versuchen zu rückstandsreduziertem Pflanzenschutz. Bei dieser Strategie werden chemisch-synthetische Fungizide nur bis zur Blüte eingesetzt und danach wird auf Mittel gewechselt, die im Bio-Weinbau erlaubt sind. Dieses Verfahren zeigte keine signifikanten Unterschiede zum normalen integrierten Verfahren bei der Befallsstärke von Falschem Mehltau, Echtem Mehltau und Botrytis (Graufäule). Es bestätigt die Erfahrung, dass in der ersten Hälfte der Vegetationszeit die Bekämpfung konsequent erfolgen muss und in der zweiten Hälfte ein erhöhtes Risiko eingegangen werden kann.

Patrik Kehrli von Agroscope beleuchtete die Schädlingssituation 2017, die sich recht ähnlich wie in den Vorjahren zeigte. Der Flug des Traubenwicklers war in den meisten Regionen nur schwach und der Befall der Kirschessigfliege lag zwischen dem relativ ruhigen 2015 und dem etwas schwierigeren 2016. Das umfangreiche Monitoring zeigte Eiablagen vor allem auf den sensiblen Sorten, wie Cabernet Dorsa, Dunkelfelder, Mara oder Regent. Der Befall der Hauptsorten blieb relativ gering. Wegen des geringen Befalls konnten in den Wirkungsversuchen kaum neue Erkenntnisse gewonnen werden.

Naturweine als Nischenprodukt

Die beiden Weinjournalisten Benjamin Herzog und Dominik Vombach hielten einen beherzten Vortrag über Naturweine. Im Einstieg betonten sie, dass es keine offizielle Definition für Naturweine gebe, daher auch keine fixen Regeln existierten. Es sei eine Produktionsphilosophie mit dem Ziel, Wein mit möglichst geringen Eingriffen herzustellen, im Extremfall mit Spontangärung, ohne Schönung, Filtration und Schwefel. Über Mittag konnten fünf Beispiele von Naturweinen verkostet werden. Nur der letzte Wein der Reihe hatte eine orange-bräunliche Farbe und entsprach dem Bild eines typischen Orangeweins. Es handelte sich um einen Weisswein aus der Emilia-Romagna mit den Traubensorten Malvasia, Ortugo und Trebbiano. Er wurde auf der Maische vergoren und 30 Tage im Kontakt mit den Trauben gelassen. Das Resultat war ein Wein mit komplexer Aromatik, spannend für diejenigen, die immer auf der Suche nach Neuem, Anderem sind und die die «angenehme Absenz der Primärfrucht» schätzen. Für die anderen war der oxidative Charakter gewöhnungsbedürftig, war die Grenze überschritten und sie stuften die Ecken und Kanten des Weins als Weinfehler ein.

Die anderen beiden Weissweine waren vom Weingut Werlitsch aus der Steiermark (A) und von Stefan Vetter aus Franken (D). Beide hatten eine schöne goldgelbe Farbe und zeigten, dass die Begriffe Orangewein und Naturwein nicht gleichzusetzen sind. Als Orangeweine gelten maischevergorene Weissweine, wie man sie aus traditionellen Weinbauländern wie Georgien seit Jahrhunderten kennt. Fazit: die Weine würden die grossen Massen kaum begeistern, es handle sich um ein Nischenprodukt, das seine Anhänger finden werde. Viele Naturweine werden nach Skandinavien exportiert, offensichtlich passen sie gut zur nordischen Küche.

Schwierige Grenze bei Weinfehlern

Pascal Wegmann-Herr vom Institut für Weinbau und Oenologie in Neustadt (D) fasste eine schwierige Aufgabe: die Grenze ziehen zwischen Weinfehler und den Eigenheiten der Naturweine. In der Oenologie spreche man von Weinfehler, wenn die sensorische Qualität des Produkts beeinträchtigt oder untypisch sei, vom Konsument/der Konsumentin abgelehnt würde oder das Produkt aus weinrechtlicher Sicht nicht mehr verkehrsfähig sei. Für Naturweine liegen keine wissenschaftlichen Studien vor. Daher fasst der Referent zusammen, was Johannes Burkert und sein Team in jahrelangen Versuchen über die Erzeugung von maischevergorenen Weissweinen herausgearbeitet haben. Optimale Grundlage sind: hochreifes Lesegut mit hohen Zuckergehalten, da während der Gärung mit Alkoholverlusten zu rechnen ist, weiter 100 Prozent gesundes Lesegut und ein pH-Wert unter 3.4. Oenologisch gut erzeugte Orangeweine sind natürlich hochfarben und haben einen sensorisch wahrnehmbaren nussigen Geruch. Aus seiner Sicht sind das auch die einzigen «Weinfehler», die für Naturweine akzeptabel sind. Leider würden aber Naturweine immer häufiger von nicht besonders önologisch begabten Leuten produziert. Wegmann sieht die Naturweine auch als Nischenprodukte, die durchaus ihre Berechtigung haben.

Im anschliessenden Vortrag beleuchtete Ivan Barbic, Master of Wine, die Entwicklung der Weinfehler in den letzten 20 Jahren aus der Sicht des Weinhändlers. In seinem Fazit hält er fest, dass sauber vinifizierte Weine heute die Regel sind. Der häufigste Weinfehler sei nach wie vor der Korkfehler. Der offensichtliche Fehlton mache jedoch höchstens ein Prozent bis zwei Prozent der Flaschen aus. Heimtückischer sei der versteckte Fehlton, der die Aromatik kaschiert und sich als bitterer Nachgeschmack bemerkbar mache. Davon sind laut seiner Einschätzung zwischen 5 und 10 Prozent der Weine betroffen.

Strukturwandel auch im Weinbau – Potenzial für Zürcher Weinbau

Ferdi Hodel vom Zürcher Bauernverband eröffnete den Nachmittag mit einem ganz anderen Thema: dem Strukturwandel in der Landwirtschaft, den er am Beispiel Milchwirtschaft detailliert aufzeigte und mit der Entwicklung der Rebbetriebe verglich. Der Wandel ist in der Milchwirtschaft viel ausgeprägter, zum Beispiel ist der Rückgang der Betriebe mit 39 Prozent doppelt so hoch wie im Weinbau mit 15 Prozent. Der Margendruck im Weinbau sei offensichtlich noch geringer. Wegen der Regionalität sieht er auch durchaus ein Potenzial für den Zürcher Weinbau. Würde die weintrinkende Bevölkerung des Kantons pro Person und Jahr 0.5 Liter mehr Wein konsumieren, erhöhte sich die Fläche um 28 Hektaren. In beiden Branchen zeigen sich aber grundsätzlich ähnliche Entwicklungen: Die Zahl Bewirtschafter nimmt ab, die Flächen der grossen Bewirtschafter nehmen weiter zu und damit auch deren Produktionsanteil.

Die nächsten Wädenswiler Weintage finden am 10./11. Januar 2019 statt.

Dokumentation zur Tagung 2018 (Link „Rückblick“): www.zhaw.ch/iunr/weintage/

Downloads (Fotos: © ZHAW)

Fachkontakt Medien

Peter Schumacher, Leiter Forschungsgruppe Weinbau, Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen, ZHAW, Wädenswil. 058 934 59 09, peter.schumacher@zhaw.ch

Medienstelle ZHAW, Wädenswil

Cornelia Sidler, Media Relations ZHAW-Departement Life Sciences und Facility Management, Wädenswil. 058 934 53 66, cornelia.sidler@zhaw.ch