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Life Sciences und
Facility Management

Wildstauden brauchen Pflege

An der Fachtagung «Urbane Ökosysteme» der ZHAW diskutierten Fachleute, wie Wildstauden die Biodiversität in urbanen Räumen fördern können. Dabei wurden Forschungsresultate vorgestellt und praxisnahe Lösungen präsentiert.

Die ZHAW hatte am 23. August 2024 zur Fachtagung «Biodiversität fördern mit Wildstauden» eingeladen. Unter den über 170 Teilnehmenden waren zahlreiche Vertretungen aus den Bereichen Raumplanung, Städtebau, Architektur und Landschaftsarchitektur. Zudem kamen Mitarbeitende und Leitende von Grünämtern, Stadtgärtnereien, Werkhöfen, Bauämtern, Gärtnereien und Gartenbauunternehmen und weitere Interessierte.

ZHAW-Projekt zu Wildstauden-Mischpflanzungen
Der Vormittag stand im Zeichen des ZHAW-Projekts zu Wildstauden-Mischpflanzungen, das diesen Herbst zum Abschluss kommt, und seinen Resultaten. Im Projekt wurden auf bestehenden, humusreichen Böden verschiedene Stauden-Mischpflanzungen aus in der Schweiz heimischen Wildstauden gepflanzt und auf ihren Wert für die Biodiversität, ihre Praxistauglichkeit und ihre Akzeptanz bei der Bevölkerung hin untersucht. Zu Beginn gab Séverine Evéquoz vom Bundesamt für Umwelt Bafu, welches das ZHAW-Projekt massgeblich finanziert, einen Einblick in den aktuellen Stand der Biodiversitätsstrategie Schweiz und diverse Projekte, wozu auch das ZHAW-Projekt gehört. 
Im Anschluss blickte Doris Tausendpfund von der Forschungsgruppe Pflanzenverwendung, die das Projekt leitet, zuerst zurück auf eine Zeit, als Stauden im öffentlichen Raum nicht angepflanzt wurden. Biodiversität sei auch noch kein Thema gewesen. Dies habe sich geändert. Im ZHAW-Projekt wurden insgesamt 25 Flächen von je 100 m2 mit sieben verschiedenen regionalen Pflanzenmischungen bepflanzt und deren Flora, Fauna und der Boden untersucht. Eine wichtiger Aspekt war auch die Pflege der Wildstauden. Entsprechend sind sehr viele unterschiedliche Akteure am Projekt beteiligt. 
Céline Derman, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungsgruppe Pflanzenverwendung, erläuterte in ihrem Referat, wie die Staudenmischungen entwickelt wurden. Vorbilder seien bestehende Wiesentypen wie Naturwiesen gewesen. Jede Mischung enthält zwischen 21 und 37 Arten, wobei sich gewisse Arten als Tops und andere als Flops herausstellten. Interessant sei, dass die gleichen Mischungen auf verschiedenen Flächen ein sehr unterschiedliches Erscheinungsbild zeigten. Man habe auch Grenzen erkannt, z.B. weil Flächen zu trocken oder zu schattig waren. 

Untersuchungen zur Biodiversität
Die Biodiversität wird über verschiedene Bioindikatorarten erhoben. So präsentierte Jürg Schlegel von der ZHAW-Forschungsgruppe Umweltplanung die Ergebnisse zu Tagfaltern und Schwebfliegen. Im Vergleich zu den Referenzflächen, typischerweise Rasenflächen, wurden sowohl bei den Tagfaltern wie auch bei den Schwebfliegen deutlich mehr Arten und auch Individuen gefunden. Zudem wurden auf den Wildstauden-Flächen auch seltene Arten gefunden. 
Beatrice Kulli von der Forschungsgruppe Bodenökologie blickte in ihren Arbeiten unter die Oberfläche und berichtete über die bodenkundlichen Untersuchungen. Grundsätzlich hilft Heterogenität bei den Wurzeln der Biodiversität. Der Prozess zur Förderung der Biodiversität dauert aber im Boden länger als oberhalb. Über die Fauna im Boden sprach Pascal Luder, der in seiner Masterarbeit Springschwänze und weitere Insekten untersuchte. Theo Smits von der ZHAW-Forschungsgruppe Umweltgenomik und Systembiologie konnte durch molekularbiologische Untersuchungen kleine Tiere sowie Bakterien und Pilze sichtbar machen und auch identifizieren. So zeigte sich, dass im Boden sehr viel mehr Arten von Springschwänzen zu finden waren, wie die Bestimmung unter dem Binokular vermuten liess. 

Wildstauden werden als angenehm, nützlich und hilfreich wahrgenommen
Eine positive Wahrnehmung ist die Voraussetzung für das Gelingen und die Akzeptanz einer Pflanzenfläche. Deshalb wurden als Teil des Projekts auch Passantinnen und Passanten befragt. Petra Bättig von der Forschungsgruppe Nachhaltigkeitskommunikation und Umweltbildung berichtete über die erfreulichen Resultate. Wildstauben gefallen sehr gut, sogar wenn sie verblüht sind. Sie werden zwar als unordentlich wahrgenommen, aber doch als angenehm, nützlich und hilfreich. Zu diesem Teil des Projekts gehörte auch die Kommunikation mit den Stadtgärtnerinnen und -gärtnern sowie den Gemeinden. Diese Unterstützung wurde sehr geschätzt. 
Vor dem Mittag stellte Adrian Möhl von Info Flora noch ihre Grüne Empfehlungsliste vor. Info Flora ist schon lange in der Beratung bei der Produktion von einheimischen Wildpflanzen tätig. Basierend auf diesem Wissen entstand die Grüne Empfehlungsliste. Dazu wurden alle Arten, die in der Schweiz vorkommen, bewertet und aufgeteilt in Kategorien. Ziel der Liste es, bei der Förderung von Biodiversität zu unterstützen. 

Erfahrungen aus der Praxis mit Wildstauden und weiteren Pflanzen
Über Mittag konnten sich die Teilnehmenden nicht nur austauschen, sondern auch in Führungen mehr über die Wildstauden in den Gärten der ZHAW und weiteres erfahren. Danach kamen im Plenum Vertreterinnen und Vertreter aus der Praxis zu Wort. So berichtete Andreas Kopp von Jardin Suisse Thurgau über ihr Engagement im Kanton Thurgau. Dabei stellte er unter anderem ihr Projekt mit dem Botanischen Garten in Frauenfeld vor, für dessen Realisierung sie auch alternative Wege der Finanzierung gingen. Sie bauten Biodiversitätskisten mit Wildstauden aus dem Kanton Thurgau, die sie dann vermieteten und so ein Teil der Finanzierung sichern konnten. 
Im Referat von Rafael Schneider von der ZHAW-Forschungsgruppe Stadtökologie ging es dann nicht um Wildstauden, sondern um Orchideen. Er zeigte, dass Dächer ein grosses Potenzial aufweisen, um Orchideen in der Stadt anzusiedeln. 
Mit Patricia Willi von Die Wildstaudengärtnerei AG sprach eine wahre Pionierin in der Produktion von Wildstauden in der Schweiz von ihren Erfahrungen aus 40 Jahren Praxis. Sie betonte die Wichtigkeit von regionalen Varianten, denn die Umwelt sei im Tessin ganz anders als im Berner Oberland. Und sie appellierte dafür, dass die Produktion einheimischer Arten auch wirklich aus der Schweiz erfolge. 

Produktion von Wildblumen und Komposition von Gärten
Wie die Produktion von einheimischen Wildblumen bzw. deren Samen geschieht, präsentierte Michael Burri von Wildblumenburri und UFA-Samen Winterthur. Ausgehend von Samen von Wildpflanzen werden die Wildblumen sortenrein gesät und je nach Pflanze von Hand oder auch mit Maschinen geerntet. Zudem stellte er vor, wie sie Wildblumenwiesen anlegen und pflegen. Dabei werden immer Wildgräser beigemischt, denn diese bringen Struktur und helfen den Blumen. 
Zum Abschluss berichtete Peter Richard von Winkler Richard Naturgärten über ihre Wildstaudenkompositionen, wie sie diese planen und auch pflegen. Aus seiner Sicht sollte ein Garten ein Lebensraum für Menschen, Pflanzen und Tieren sein. Bei der Planung sei die Standortanalyse der wichtigste Aspekt, da sie den Boden so verwenden, wie er ist. Nur so können die passenden Pflanzen dann auch ausgewählt werden. Gestalterische Aspekte wie Farben und Texturen sind bei der Komposition wichtig, denn die Gärten sollen ja gefallen. Und damit sie dies über viele Jahr können, brauchen Naturgärten Pflege. 

Gefragt sind Ausbildungsangebote
Die Fachtagung zeigte, dass Wildstauden gelingen können, wenn Identifikation, Begeisterung und vertiefte Fachkenntnisse zusammenkommen. Wichtige Faktoren sind die Bodenvorbereitung und die Pflanzenkenntnisse. Es braucht Handlungsspielraum und Flexibilität. Und vor allem brauchen Wildstauden – darauf wiesen sehr viele der Referentinnen und Referenten hin – Pflege und diese ist durchaus anspruchsvoll. Weiterbildung ist deswegen sehr gefragt. Angebote sind entstanden und noch am Aufbau, auch an der ZHAW. 

⇒ Website «Wild!stauden-Mischpflanzungen»  
⇒ Website des Projektes

Downloads

Fachkontakt

  • Doris Tausendpfund, Leiterin Forschungsgruppe Pflanzenverwendung, Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen, ZHAW-Departement Life Sciences und Facility Management. 058 934 59 45. doris.tausendpfund@zhaw.ch 

Medienkontakt

  • Beatrice Huber, Media Relations ZHAW-Departement Life Sciences und Facility Management, 058 934 53 66, beatrice.huber@zhaw.ch