Obstanlagen
Ein neues Zuhause für über 360 Apfel-Genotypen, heimischen Superfood und ein cleveres Produktionssystem
Obstbauliche Demonstrations- und Versuchsflächen für Studium und Forschung
Apfelvielfalt – die Qual der Wahl
Bereits vor über 5'000 Jahren sammelten die Pfahlbauer am Zürichsee Wildäpfel, die sie halbierten und am Feuer trockneten. Die Vorfahren unserer heutigen domestizierten Kulturäpfel stammen ursprünglich aus Zentralasien und kamen erst in der Antike über alte Handelswege und Feldzüge nach Europa. Der Apfel ist somit eine der ältesten Kulturpflanzen. Neben seiner vielfältigen Verarbeitung und guten Lagereigenschaften hat die Frucht seit jeher eine grosse Symbolkraft (wie der Reichsapfel im Römischen Reich) sowie grosse landwirtschaftliche Bedeutung – weltweit wird der Apfel in allen gemässigten Klimazonen kultiviert. Die Vielfalt an Aromen, Grössen, Formen und Farben der alten Sorten ist immens. Roh gegessen wurde damals jedoch nur ein kleiner Teil der Früchte. Der grösste Teil der Ernte wurde verkocht, gepresst, gebrannt, gedörrt, gebacken oder fiel Schädlingen zum Opfer – das Thema Foodwaste existierte nicht. Doch auch die modernen Sorten geizen nicht an positiven Eigenschaften. Oftmals sind sie resistent gegenüber den Pilzkrankheiten Schorf und Mehltau, lange haltbar und haben ein ausgeglichenes Aroma. In der Schweiz werden 4'000 Hektar dieser modernen Sorten konventionell bzw. biologisch angebaut. Der Apfel ist damit die Lieblingsfrucht der Schweizer Bevölkerung – rund 18 Kilogramm verspeisen wir durchschnittlich pro Jahr. Auf dem Campus Grüental erhalten wir dank finanzieller Unterstützung des Bundesamtes für Landwirtschaft 420 verschiedene Apfelsorten!
Baumformen bei Birnen
Noch bis in die 1950er Jahre war Wädenswil geprägt durch grosse, alte Hochstamm-Birnen. Gelbmöstler und Theilersbirne waren die beiden Hauptsorten, die wegen ihres hohen Zuckergehalts zur Schnaps gebrannt wurden. Heute werden meist in Niederstammanlagen die Sorten Williams, Conference, Kaiser Alexander und Gute Luise angebaut. Die Erziehung von Birnbäumen ist wegen des starken Wachstums des Mitteltriebes (Apikaldominanz) anspruchsvoll. Durch die Wahl eines geeigneten Erziehungssystems und das Veredeln auf eine schwach wachsende Quitten-Unterlage können auch kleinere Baumformen erzielt werden. Der starken Apikaldominanz der Birnen begegnet man durch Schrägstellen der Mitte oder Förderung fruchtbarer Seitentriebe.
Drapeau-Marchand
Die Bäume werden im Winkel von 45° schräg in Reihenrichtung gepflanzt. Der vorhandene Raum wird schnell ausgefüllt, eine ruhig wachsende Fruchthecke entsteht.
Belgische Hecke
Y-Baumform mit zwei Leitästen, jedoch ohne Mitteltrieb. Durch das Weglassen der Mitte umgeht man das Problem der Apikaldominanz.
Agroforst – traditionelles System mit Zukunftspotential
Das Agroforst-Anbausystem kombiniert mehrjährige Obst-, Wildobst-, Nuss- oder Wertholzbäume mit landwirtschaftlichen Unterkulturen wie Getreide, Gemüse oder Grünland auf derselben Fläche. Auch eine Kombination mit Nutztierhaltung ist möglich. In der Schweiz kennen wir diese Landnutzung im Doppelpack bereits seit Jahrhunderten – in Form der Waldweiden im Jura, Kastanienselven im Tessin oder den klassischen Hochstamm-Obstgärten in der Ostschweiz. Auf dem Campus Grüental kombinieren wir Wertholzbäume mit heimischen Wildobstarten sowie ackerbaulichen Unterarten, um die vielfältigen Wechselwirkungen dieser Gemeinschaft zu studieren und zu beobachten.
Beeren – einheimische Superfoods
Es müssen nicht immer Exoten wie Goji- und Acaibeere oder Acerola-Kirsche sein, um sich ausgewogen zu ernähren. Viele einheimische Beerenarten können mit den exotischen Superfoods locker mithalten. Schwarze Johannesbeeren, Brombeeren, Himbeeren, Holunderbeeren und viele andere heimischen Beerenarten sind Gold wert, denn sie versorgen unseren Körper das ganze Jahr über mit wichtigen Vitaminen, Mineralstoffen wie Magnesium, Kalium und Eisen sowie Antioxydantien. Beerensträucher brauchen wenig Platz, bevorzugen aber einen sonnigen Standort und einen humusreichen Boden. Die Pflege beschränkt sich auf den jährlichen Winterschnitt, einer Düngegabe im Frühling mit Kompost und das Jäten zwischen den Pflanzen.
Biodiversität – natürliches Durcheinander
Die Schweiz gilt als besonders sauberes Land. Zu sauber, wenn man natürliche Lebensräume in den ausgeräumten Landwirtschaftsflächen sucht. Darum werden bewusst ökologische Ausgleichsflächen geschaffen, auf denen die Natur auch zum Nutzen der Landwirtschaft wieder mehr Raum erhält. Unsere Früchte schmecken nicht nur uns gut, sondern auch einer Vielzahl von Insekten, Pilzen und Wirbeltieren. Nützlinge können da einen gewissen Ausgleich schaffen, aber nur wenn auch die nötigen Lebensräume für diese Organismen vorhanden sind. Neben unspezifischen Fördermassnahmen wie Blühstreifen, Asthaufen oder Hecken fördern wir in unserer Obstanlage auch gezielt Nützlinge. So zum Beispiel mit Sitzstangen für Greifvögel (Mäuse), Nisthäuschen für kleine Singvögel (Raupenschädlinge), Mauerbienenhäuschen (Bestäubung) und Tontöpfe für Ohrwürmer (Blutläuse).
Rasenmäher als Energie-Selbstversorger
Die Idee vom Schlaraffenland, wo man nur erntet und nichts dafür tun muss, lässt uns nicht ganz los. Einen ersten Schritt dazu machen unsere Robotermäher, die das Gras in der Anlage kurzhalten und mit eigenem Solarstrom aus der Obstanlage angetrieben werden. Auch wenn wir nur handelsübliche Komponenten in unserem Versuch verwenden, stehen wir trotzdem vor vielen Herausforderungen. Um unabhängig vom Stromnetz zu sein, musste die Anlage gross dimensioniert und mit Akkuspeichern ausgerüstet werden – nur dies gewährleistet genügend Strom für das Laden in der Nacht und für Schlechtwetterperioden zu haben. Das Hagelnetz und die nicht optimale Ausrichtung der Panels reduzieren die Stromgewinnung um rund 30%. Die Mäher sind für Rasenflächen gebaut. Offener Boden, schnell wachsendes Gras, enge Abstände zwischen den Bäumen, Äste und Äpfel am Boden können die Mäher blockieren, sodass sie im schlechtesten Fall mehrmals pro Tag «befreit» werden müssen. Dank finanzieller Unterstützung des Bundesamt für Landwirtschaft nehmen wir die Herausforderungen an. Und wie zu erwarten war, vom Schlaraffenland sind wir noch weit entfernt.
Infoflyer Obstanlagen
Laden Sie sich den Infoflyer(PDF 1,1 MB) zu den Obstanlagen auf dem Campus Grüental herunter.