Der Menü-Nachhaltigkeits-Index – Eine Menübewertung für die Gemeinschaftsverpflegung
Um Bemühungen für eine nachhaltige Ernährung verstärkt in der Gemeinschafts- und Betriebsgastronomie um- und fortzusetzen, braucht es einfache, aber wissenschaftlich abgesicherte Tools wie den Menü-Nachhaltigkeits-Index (MNI) der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW).
Der Menü-Nachhaltigkeits-Index
Lebensmittel stehen in der Schweiz rund um die Uhr und in Hülle und Fülle zur Verfügung. Das globale Ernährungssystem ermöglichst es uns – unabhängig von Saison und Entfernungen – in unserem Speiseplan auf nichts verzichten zu müssen. Dieser unbeschwerten Art und Weise unserer heutigen Ernährungsweise steht ein enormer Ressourcenverbrauch gegenüber: in der Schweiz gehen rund 28 % der Umweltbelastungen auf das Konto «Ernährung». Aber auch unsere Gesundheit wird durch unsere Ernährungsweise in erheblichem Masse beeinflusst. In der Schweiz nehmen ernährungsbedingte Erkrankungen und die dadurch verursachten Kosten stetig zu.
Laut nationaler Ernährungserhebung menuCH ernährt sich die Hälfte der befragten Schweizer:innen über Mittag ausser Haus. Durch Bestrebungen wie dem Erreichen der 2000-Watt-Ziele oder neuen Anforderungen bei öffentlichen Ausschreibungen sind Betriebe der Gemeinschaftsverpflegung (Personalrestaurants, Mensen) gefordert, Gäste sowie Kundinnen und Kunden zufriedenzustellen. Der MNI kann ihnen dabei helfen, ein Verpflegungsangebot zu schaffen, dass die Anforderungen aus gesundheitspräventiver wie auch umweltrelevanter Sicht erfüllt.
Der MNI ...
- ermöglicht es Menüs (ohne Getränke und Dessert) in den Nachhaltigkeitsaspekten Umwelt und Gesundheit (aus ernährungsphysiologischer Sicht) zu bewerten.
- gibt in einem einzigen Kennwert, den «Umweltbelastungspunkten» (UBP), die Höhe der Umweltbelastung eines Menüs an. Diese ergeben sich aus der Summe aller Umweltbelastungen der einzelnen Menüzutaten, welche bei Anbau, Transport, Lagerung und Verarbeitung bis hin zum Verkauf der Produkte entsteht.
- gibt die ernährungsphysiologische Ausgewogenheit eines Menüs in sogenannten «Ernährungsphysiologischen Balancepunkten» (EBP) an. Sie ergeben sich aus dem Energiegehalt, dem Anteil an Obst und Gemüse sowie der Abweichung bestimmter Nährstoffe zu den empfohlenen Referenzwerten.
- hilft den Küchenverantwortlichen, Köchinnen und Köchen Menüs ohne zusätzlichen Aufwand im Sinne der Umweltfreundlichkeit und/oder Ausgewogenheit zu optimieren.
- kann zur Anwendung in bestehende Warenwirtschaftssysteme integriert werden.
- kann einfach an den Gast kommuniziert und an die Vorgaben des Anbieters angepasst werden (Corporate Design).
- liefert Gästen zusätzliche Informationen, um eine umweltfreundliche und ernährungsphysiologisch ausgewogene Menüwahl zu treffen.
Projekte
Umweltschonende und gesunde Verpflegung an der HSG (Pilot Juni 2022-Februar 2023)
Die Universität St. Gallen (HSG) hat sich dem Ziel der Klimaneutralität bis 2030 verpflichtet. Dazu gehört auch die Verpflegung auf dem Campus, mit anderen Worten soll die Umweltfreundlichkeit und der Gesundheitswert des Angebots der Mensen vor Ort optimiert werden. Mit diesem Pilotprojekt wurde der Menü-Nachhaltigkeits-Index (MNI) an der Sappelli Mensa getestet.
Projektziel: Förderung nachhaltiger Verpflegung am Campus durch die Einführung des MNI
Projektinhalte:
- Pilot in drei Phasen: Test auf drei Menü-Linien ohne Kommunikationsmassnahmen, Zwischenphase mit Vorankündigung, zweiter Test auf drei Menü-Linien inklusive Kommunikationsmassnahmen (Ausweis von Gesundheits- und Umweltwert mittels Symbolen, Hintergrundinfos)
- Befragung der Gäste in der ersten, sowie zweiten Testphase, um die Akzeptanz und Wirkung des MNI und dessen Kommunikation zu analysieren
- Prozess-Evaluation durch Interviews mit ausgewählten Verantwortlichen aus der Menüplanung sowie der -produktion
- Abschlussbericht zur Bilanz der Einsparungen von CO2-Äquivalenten durch Menüanpassungen, sowie Empfehlungen zur Kommunikation und deren Umsetzung
Resultate - Das Wichtigste in Kürze:
- Weniger Fleisch: Menüs mit einem hohen Anteil tierischer Produkte (Fleisch, Käse, Milch/Rahm) führen zu einer deutlich höheren Umweltbelastung als Menüs mit einem hohen Anteil pflanzlicher Produkte. Deshalb wurde der Anteil tierischer Komponenten bei den Tellergerichten gesenkt, wodurch sich der Anteil konsumierter fleischhaltiger Menüs von 78% auf 53% reduzierte.
- Jede Woche eine Tonne CO2-eq eingespart: Durch die blosse Angebotsoptimierung der Tellergerichte mittels MNI konnte eine Gesamtreduktion von 3.1 Tonnen CO2-eq innerhalb von 3 Wochen erreicht werden. Dies entspricht einer CO2-eq Reduktion von rund 23% im Vergleich zum Standardangebot.
- Weiteres Reduktionspotenzial vorhanden: Die Umweltbelastung des optimierten Verpflegungsangebots konzentrierte sich auf wenige Menüs: 27% der gesamten CO2-eq wurden allein durch 4 Menüs verursacht (=11% aller verkauften Menüs). Würden diese Menüs aus dem Angebot gestrichen, könnten weitere CO2-eq eingespart werden.
- Ausgewogenheit der Menüs: Obwohl dieser Aspekt nicht im Fokus der Studie stand, führte die Angebotsoptimierung auch zu einer Verbesserung der ernährungsphysiologischen Ausgewogenheit der Menüs.
- «It matters»: 70% der befragten Gäste finden ökologisch-nachhaltige, über 90% gesunde Menüs wichtig.
- «Was nehme ich?»: Am Buffet entscheiden die beiden Aspekte «Gseht fein us!» und der Preis, ob ein Menü ausgewählt wird. Der Ernährungstyp (vegan/vegetarisch/Fleisch- und/oder Fisch essend) erklärt nicht abschliessend, wie sich die Gäste entscheiden. Wie lecker ein Menü aussieht und wieviel es kostet überzeugt auch Fleisch- und Fischesser:innen ökologisch-nachhaltigere Menüs auszuprobieren.
- Zum Konzept MNI: Die MNI-Menüs haben 80% der Befragten geschmeckt und sie würden sie wieder wählen. Über die Hälfte (60%) finden eine nachvollziehbare Bewertung wie den MNI sinnvoll. Genauso finden die allermeisten die MNI-Symbolik mit Blättern (Umweltfreundlichkeit) und Herzen (Ausgewogenheit) intuitiv und hilfreich.
- Die Küche gibt den Daumen hoch: Personen aus dem Bereich Planung, Produktion und Küche befürworten das Projekt, da es in der Praxis sehr gut umsetzbar ist.
Wie geht es weiter: Nach dem erfolgreichen Projektabschluss mit beachtlichen Einsparungen, hat sich die Migros entschieden, die Zusammenarbeit mit der ZHAW fortzuführen und den MNI als festen Bestandteil für die Bewertung und die Kennzeichnung des Menüangebots einzusetzen.
«Durch die Zusammenarbeit mit der ZHAW haben wir die Chance mit dem MNI zu testen, ob durch eine Angebotsänderung allein oder in Kombination mit geeigneten Kommunikationsmassnahmen die Umweltauswirkungen in unserer Mensa gesenkt werden können.»
Patrick Schubiger, Leiter Verkauf und Projekte Gemeinschaftsgastronomie, Genossenschaft Migros Ostschweiz, November 2022
Farm to Table – kulinarisches Forschungsprojekt der ZFV-Unternehmungen, der ZHAW und der ZHDK (Oktober 2023 – November 2023)
Das Projekt «Farm to Table», eine Initiative der ZHAW, ZHdK und des ZFV, erforschte die Umstellung des Mensaangebots auf Nachhaltigkeit mit einem umfassenden Ansatz, der saisonale, regionale und ausgewogene Ernährungsoptionen einbezieht. Dieses vierwöchige Projekt wurde auf dem Campus Toni-Areal durchgeführt und umfasst eine detaillierte Bewertung der Umweltauswirkungen, des Nährstoffgehalts und der Akzeptanz durch die Kund:innen, mit einem besonderen Fokus auf die Umstellung auf eine «Planetary Health Diet».
Das Projekt war ein voller Erfolg: Mittels Optimierung der Menüangebote konnten der durchschnittliche CO2-Fussabdruck pro Menü von 1.48 kg CO2-eq um rund 37% auf 0.93 kg CO2-eq gesenkt werden, mit weiterem Einsparpotenzial. Im Vergleich zum Referenzangebot konnten so rund 6 Tonnen CO2-eq eingespart werden.
Der vollständige Bericht ist hier abrufbar.
FP 1.23 Energie- und klimabewusste Ernährung in Städtischen Verpflegungsbetrieben
Mit der Strategie «Nachhaltige Ernährung Stadt Zürich» will die Stadt die Umweltbelastung durch die Ernährung um 30% gegenüber dem Jahr 2020 senken. Ein Bereich, der einen wesentlichen Beitrag zur Zielerreichung leisten kann, ist das Angebot in städtischen Verpflegungsbetrieben. Dieses soll nicht nur energie-, klima- und umweltfreundlich sein, sondern auch gut schmecken und die Gäste mit Energie und den nötigen Nährstoffen versorgen. Die zentrale Frage dabei ist: Was können die Betriebe tun, um ein umweltfreundliches, ausgewogenes und leckeres Essen anzubieten, und welche Massnahmen können über Angebotsveränderungen hinaus Konsumentinnen und Konsumenten dabei unterstützen, eine umweltfreundliche Wahl zu treffen? Im Rahmen des Forschungsprogramms Energieforschung Stadt Zürich entwickelte das Forscher-Team der ZHAW eine «Menü-Bibliothek» , welche auf die Bedürfnisse von Gästen städtischer Personalrestaurants sowie Bewohnerinnen und Bewohnern von Alterszentren abgestimmt ist und einen Betrag leisten kann, die gesetzten Umweltziele zu erreichen.
Resultate:
- Der vollständige Bericht ist hier abrufbar.
- Weitere Infos zum Programm Energieforschung Zürich, Schwerpunktthema Ernährung, finden sich hier.
- Tipps & Tricks für Betriebe Factsheet(PDF 436,2 KB)
- Präsentation DGE-Kongress 2022(PDF 1,2 MB)
- Poster DGE-Kongress 2022 (PDF 466,3 KB)
- KOCH ODER SPIEL - Das Kartenset für eine energie- und klimabewusste Ernährung. 3 Spiele, 32 Karten, 32 Menüs und eine Menge guter Tipps für eine leckere und ausgewogene Küche. Die Menüs findest du HIER.
Essensentscheidungen für die Zukunft
Im Folgeprojekt ESSENZ geht es darum herauszufinden, welche Massnahmen zu umweltschonenden und ausgewogenen Ernährungsentscheidungen führen können. Ziel war es für die Praxis umsetzbare und auf Seiten der Gäste wirksame (Kommunikations)Massnahmen zu entwickeln. Die Massnahmen sollen verschiedene Einflussfaktoren (u.a. situative Faktoren, Gewohnheiten), welche im Entscheidungsprozess eine Rolle spielen, mitberücksichtigen, um eine bewusstere Menü-Entscheidung hervorzubringen, die aus der Auseinandersetzung der Gäste mit den Informationen zum Menü-Nachhaltigkeits-Index (MNI) und dem Thema nachhaltige Ernährung im Allgemeinen resultiert.
In Ergänzung zu Massnahmen, die direkt im Betrieb in der Entscheidungssituation ansetzen, soll auch untersucht werden, inwieweit diese einen Transfer eines nachhaltigen Ernährungsverhaltens in den Alltag ermöglichen.
Das Projekt wurde von der Stiftung Mercator Schweiz unterstützt.
Resultate:
Die ESSENZ der Ergebnisse wurde am DGE-Kongress 2022 in einer Postersession präsentiert.
- Ergebnisse zum Online-Experiment(PDF 2,3 MB)
- Ergebnisse aus dem Feldexperiment (PDF 3,8 MB)
- Poster DGE-Kongress(PDF 382,4 KB)
- Infografik Projektergebnisse Poster(PDF 1,3 MB)
- Infografik Projektergebnisse Einzelseiten zum Drucken (PDF 1,5 MB)
Bei Fragen stehen wir gerne zur Verfügung.
Essen für die Zukunft
Im Projekt «Essen für die Zukunft» wurde der MNI weiterentwickelt und zusammen mit ZFV-Unternehmungen, eine der grössten Gastronomie-, Hotellerie- und Bäckereigruppen in der Schweiz, in der Praxis auf seine Anwendbarkeit hin geprüft.
Das Projekt wurde von der Stiftung Mercator Schweiz unterstützt.
Projektinhalte:
- Weiterentwicklung der Berechnungsmodelle
- Validierung durch Ernährungsexperten der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE und der Eidgenössischen Ernährungskommission EEK
- Integration der Überfischung in die Ökobilanzierung
- Verknüpfung mit Warenwirtschaftssystem
- Erstellung von Schulungsmaterial und Durchführung der Schulung
- Entwicklung und Test der Gästekommunikation
Der MNI wird aktuell in den ZFV-Betrieben eingesetzt und wurde in das bestehende Menüleitsystem integriert.
«Seit seiner Gründung ist dem ZFV die Förderung eines bewussten und nachhaltigen Konsums ein wichtiges Anliegen. Dabei ist Transparenz ein zentraler Faktor. Mit dem MNI bieten wir den Gästen in unseren Mensen und Personalrestaurants eine wissenschaftlich fundierte und praxistaugliche Orientierungshilfe bei der Menüwahl, ohne dass der kulinarische Genuss verloren geht.»
Nadja Lang, CEO der ZFV-Unternehmungen, 2021
Mit dem MNI zu mehr Nachhaltigkeit & Transparenz im Menüangebot!
Sie möchten den MNI auch verwenden, haben Fragen, eine Projektidee und Interesse daran den MNI mit uns noch weiterzuentwickeln?
Weitere Informationen zum MNI
MNI-Anwender-Workshops
Kommt der MNI zum Einsatz, ist es wichtig die Hintergründe zu verstehen. Einerseits, um die relevanten Stellschrauben zur Menüoptimierung zu kennen, anderseits, um auch interessierten Gästen Auskunft geben zu können. Entsprechendes Schulungsmaterial liegt vor. In Workshop-Sessions, die individuell auf die Bedürfnisse des Küchenpersonals abgestimmt werden können, stehen wir mit Rat und Tat zur Seite.
Weitere Projektberichte und Veröffentlichungen
- Interventionen zur Förderung einer klimabewussten Ernährung, Ernährungsumschau 10/2022
- Projektabschluss, Präsentation vom 9.8.2018(PDF 2,2 MB)
- Der Menü-Nachhaltigkeits-Index : Bewertungsgrundlage und Kommunikationsansätze, Publikation
- «Informational Nudges» zur Förderung eines nachhaltigen Ernährungsverhaltens in der Gemeinschaftsgastronomie (GG) - Ein Feldexperiment, DGE Kongress 2018(PDF 501,2 KB)
- Der Menü-Nachhaltigkeits-Index, Ernährungsumschau 11/2016
- Die Wahrheit auf dem Teller, ZHAW Impact 39/17, Seite 50
- Wink Conference Präsentation(PDF 1,6 MB)