Entwicklung von Tools zur Ertragsoptimierung von grossen Photovoltaikanlagen mit komplexer Geometrie – Projekt «Alpenstrom»
An der ZHAW Wädenswil wird ein neues Software-Tool zur Simulation von grossen Photovoltaik-Anlagen (PV-Anlagen) mit komplexer Geometrie entwickelt. Es eignet sich auch zur Planung und Projektierung von Photovoltaik-Anlagen im Berggebiet.
Für die Validierung und Optimierung des Tools betreibt die ZHAW Wädenswil zusammen mit den EKZ eine Photovoltaik-Versuchsanlage in einem alten Steinbruch am Walensee. Ertragsdaten von 43 PV-Modulen unterschiedlicher Technologien und Ausrichtungen werden dort in hoher zeitlicher Auflösung erfasst. Die EKZ plant an diesem Standort die grösste PV-Freiflächenanlage der Schweiz. Mehrere Besonderheiten unterscheiden das geplante Kraftwerk von anderen Grossprojekten, u.a. die steilen Anstellwinkel der Module, welche den Anteil der Stromproduktion zu Randzeiten erhöhen sollen («Morgen-/Abendstrom», «Winterstrom») sowie sich die Reflexion von Sonnenlicht an der Seeoberfläche zu Nutzen machen sollen.
Evaluation
Die Versuchsanlage soll offene Fragen zur Machbarkeit eines Grossprojekts an diesem Standort beantworten:
- Welche PV-Erträge sind am Standort zu erwarten?
- Welche PV-Technologien eignen sich am Standort?
- Wie sind die klimatischen Bedingungen am Standort (Einstrahlung, Lufttemperatur, Windgeschwindigkeit)?
- Wie werden die Erträge zeitlich verteilt sein? Was ist der Anteil Winterstrom, Morgenstrom, Abendstrom?
- Welcher Beitrag zur Produktion kann aufgrund der Reflexion an der Seeoberfläche erwartet werden?
- Wie gut ist die Prognosegenauigkeit? Stimmen die gemessenen PV-Erträge mit den aus der gemessenen Einstrahlung mit Hilfe von Modellen prognostizierten Erträgen überein?
Auf einen Blick
Projektleiter: Jürg Rohrer
Projektteam: Kevin Arm, Sven Strebel, Gabriel Happle, Lukas Küffer (ZENNA AG), Werner Frei (EKZ)
Projektfinanzierung: KTI, EKZ, ZENNA AG
Projektbeginn: 17.03.2014
Ausgangslage – Bedarf an Winterstromoptimierten erneuerbaren Energien
Die Schweiz muss ihre Stromproduktion im Winter erhöhen, u.a. um den abnehmenden Anteil Strom aus AKWs zu kompensieren. Dies macht alpine Standorte für Photovoltaik-Grossanlagen interessant: Während PV-Anlagen im Schweizer Mittelland nur etwa einen Viertel der Jahresproduktion im Winter erzeugen, steigt der Winteranteil im Gebirge aufgrund von Reflexionen am Schnee, tiefen Temperaturen und fehlendem Hochnebel auf die Hälfte und mehr.
Um die hohen Investitionen für grosse Solaranlagen zu rechtfertigen, werden zuverlässige Ertragsprognosen und Sensitivitätsanalysen zur Sicherstellung der Rentabilität sowie für die Optimierung der Anlage benötigt. Herkömmliche Berechnungstools sind alleine mit der Datenmenge einer grossflächigen Solaranlage und Solarmodulen mit teilweise unterschiedlicher Ausrichtung rasch überfordert.
Projektziele – Ein Tool zur Planung von komplexen PV-Grossanlagen
Ziel ist die Entwicklung eines Planungs- und Projektierungstools für grosse PV-Kraftwerke in komplexer 3-D Umgebung mit spezieller Berücksichtigung von Strahlungsbeiträgen durch Reflexion an Gewässeroberflächen und Schnee. Besonderes Gewicht wird dabei folgenden Nutzen zugemessen:
- Ertragsoptimierung und Optimierung des zeitlichen Anfalls des Ertrags (Winterstrom, Morgenstrom, Abendstrom).
- Hohe Prognosegenauigkeit durch Einbezug der Umgebung in die Strahlungsmodellierung, insbesondere die Reflexion an Gewässer- und Schneeoberflächen.
- Geringe Planungskosten mittels einfacher Funktionen und Möglichkeiten zur Verwendung von frei erhältlichen Daten.
- Erhöhung der Akzeptanz von geplanten Anlagen durch Berücksichtigung der Blendwirkung und Sichtbarkeit der Anlage bereits in einer frühen Planungsphase und durch Bereitstellung von geeigneten visuellen Darstellungen des Projekts.
Besondere Eigenschaften und Innovationen des ZHAW PV-Tools
- Import von 3D-Geländedaten und Generatorfelder aus 3D-Modellierungssoftware
- Einfaches platzieren einer grossen Anzahl von PV-Modulen innerhalb vordefinierter Flächen
- Anordnung der PV-Module in hängenden Kettenbahnen / Seilkonstruktionen
- Genaue Verschattungsberechnung innerhalb der 3D-Umgebung
- Berücksichtigung des Fernhorizontes mittels digitalem Höhenmodell der weiter entfernten Umgebung
- Spezielle Berücksichtigung des Reflexionseffektes von Solarstrahlung an Gewässeroberflächen
- Ausgelegt für die effiziente Planung und Projektierung von Grossprojekten
- Möglichkeit zur Ermittlung der Blendwirkung der Anlage in Planung
Die Versuchsanlage zur Überprüfung der Berechnungsmodelle
Mit der Versuchsanlage können 44 PV-Module mit einer hohen zeitlichen Auflösung ausgemessen werden. Jedes Modul wird dabei im optimalen Betriebspunkt betrieben, um sowohl unterschiedliche Technologien als auch Modulausrichtungen testen zu können. Die Versuchsanlage ist für den autarken Betrieb ausgelegt und eignet sich so auch für den Einsatz in abgelegenen Regionen. Neben der elektrischen Leistung der PV-Module wird mit unterschiedlich ausgerichteten Pyranometern auch die Einstrahlung erfasst. Zusätzlich zur Globalstrahlung wird auch die Direkt- und Diffusstrahlung erfasst. Zusammen mit der Lufttemperatur, Windgeschwindigkeit und –richtung kann so für den Untersuchungsstandort ein Klimadatensatz erstellt werden, der für die Ertragsberechnung im Tool berücksichtigt wird.
Die Messeinrichtung sowie das Energiemanagement der Versuchsanlage sind kompakt in einem gedämmten 40 Fuss Container verbaut, der für die Versuchsanlage angefertigt wurde. In einem separaten Abteil ist ein grosser Wasserspeicher eingebaut, um die überschüssige elektrische Energie der PV-Module aufzunehmen. Die thermische Energie wird über einen Lüfter in der Aussenkabine an die Umgebung abgegeben. Um auch eine lange Autarkiedauer zu gewährleisten, ist in der Aussenkabine auch ein Benzingenerator verbaut. Die elektrische Energie für die Messeinrichtung sowie für die Steuerung des Energie- und Temperaturmanagements wird durch eine 10 kWh Lithium-Ionen Batterie sichergestellt.
Die Daten werden in der Versuchsanlage erfasst und auf einem Server abgelegt. Durch ein Mobilfunkrouter und LTE Richtantennen können die Daten auch an abgelegten Standorten an unseren zentralen Server gespiegelt werden und das System von Fern kontrolliert und überwacht werden. Am Standort installierte Kameras lassen so auch die Videoüberwachung zu.
Die PV-Module werden Aufständerungen installiert, die für die zu untersuchenden Standorte massgeschneidert werden. So kann der Messaufbau jeweils den lokalen Anforderungen und Fragestellung angepasst werden.
Messaufbau im Steinbruch Schnür Walensee
Für den Steinbruch Schnür am Walensee wurden zwei separierte Aufständerungen vorgesehen. Die erste Modulwand mit 29 PV-Modulen wird so platziert, dass sie die maximale Lichtreflexion durch den See erfährt. Der überwiegende Teil der PV-Module ist 90° geneigt und gegen Süden ausgerichtet. Im Weiteren sind PV-Module gegen Westen und Osten ausgerichtet sowie einige 60° geneigt. Die zweite Modulwand mit senkrecht gegen Süden ausgerichteten 14 PV-Modulen wurde seitlich um rund 30 Meter verschoben, um den Einfluss der Seereflexion auf ein Minimum zu beschränken.
Am Standort werden fünf Haupttechnologien untersucht, die an den verschiedenen Installationsstandorten jeweils mehrfach vorkomme, um statistisch belastbare Resultate zu erhalten. Der Messaufbau sowie die zu untersuchenden PV-Modultechnologien wurde in Zusammenarbeit mit der EKZ erarbeitet und soll wichtige Erkenntnisse für eine potenzielle Solaranlage am Standort liefern sowie zur Überprüfung der Berechnungsmodelle dienen.
Downloads und Links
- Interview mit Jürg Rohrer zu alpinen Solaranlagen im SRF
- Interview mit Jürg Rohrer zu alpinen Solaranlagen im Regionaljournal DRS
- «Photovoltaik in den Alpen: zentraler Baustein für die Energiewende» - Bericht im Online-Magazin Syntopia Alpina über das Potenzial von Solarstrom in den Alpen
- «Ist Photovoltaik in den Alpen sinnvoll?» - Bericht von Jürg Rohrer im Bulletin SEV/VSE über das Potenzial von Solarstrom in den Alpen(PDF 3,1 MB)
- «Solar-Investoren drängen in die Berge» - Bericht über alpine Freiflächen-Solaranlagen in der Aargauer Zeitung(PDF 258,3 KB)
- «Alpine Solaranlagen – macht dies Sinn?» - Referat von Jürg Rohrer am 2. Energiewende-Kongress in Oberburg/BE(PDF 3,1 MB)
- Die Alpen 2021/02: Wer die Energie nicht effizient nutzt, muss bereit sein Landschaft zu opfern. Dazu gehören auch Photovoltaik-Anlagen in den Bergen(PDF 1,4 MB)
- Walliser Bote: Alpine Solaranlagen produzieren viel Winterstrom, der den steigenden Strombedarf für Wärmepumpen stillen könnte(PDF 1,4 MB)
- Interview im "Walliser Bote" zu Winterstrom aus Photovoltaik in den Alpen(PDF 3,9 MB)
- Bericht im IUNR Magazin: Der Winter - die Sonnenseite für die alpine Solarstromproduktion(PDF 1,3 MB)
- Publikation zur Wirkung der Reflexion der Solarstrahlung auf Wasseroberflächen
- Video: Abbau der Testanlage
- Versuchsanlage misst Solarpotenzial am Walensee(PDF 52,8 KB)
- ZHAW Alpenstrom (Poster)(PDF 3,8 MB)
- Macht Photovoltaik im freien Gelände Sinn? (Poster)(PDF 365,0 KB)
Projektfinanzierung und Dank
Folgende Institutionen haben dieses Innosuisse Projekt ermöglicht:
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