Projekt: SAVE – Smart Alarms & Verified Events
Weniger Fehlalarme dank Machine Learning
Die Big Data-Spezialisten der ZHAW School of Engineering entwickeln ein System, das innert Sekunden zehntausende Datensätze von Alarmen und Fehlalarmen vergleichen kann. Auf diese Weise sollen Fehlalarme identifiziert und unterbunden werden, bevor sie Kosten verursachen.
Täglich gehen hunderte Alarmmeldungen bei den zentralen Leitstellen in der Schweiz ein. Die Leitstelle bietet dann die zuständigen Blaulichtorganisationen auf. Da sich unter den eingehenden Alarmen eine beträchtliche Anzahl von Fehlalarmen verbirgt, rücken Feuerwehr und Polizei allerdings häufig vergeblich aus – aber nicht umsonst. Denn jeder bei der Leitstelle eingegangene Alarm wird in Rechnung gestellt. Wer eine Alarmanlage benutzt, hat also zum einen ein ökonomisches Interesse daran, die Fehlalarme möglichst gering zu halten. Zum anderen ist es eine unangenehme Situation, wenn Feuerwehr oder Polizei ohne Grund vor der Haustüre stehen. Im Rahmen eines von Innosuisse (ehemals KTI) geförderten Forschungsprojekts entwickelt die ZHAW School of Engineering in Zusammenarbeit mit der Firma Sitasys eine Lösung, wie Fehlalarme minimiert werden können.
Alarm manuell verifizieren – mit technischer Hilfe
«Wir arbeiten an einem System, das mit hoher Wahrscheinlichkeit einschätzen kann, ob es sich um einen echten Alarm oder einen Fehlalarm handelt», erklärt Kurt Stockinger vom ZHAW-Institut für angewandte Informationstechnologie. Aber wie kann man einen richtigen Alarm von einem Fehlalarm rein technisch unterscheiden? Er und sein Team setzen dabei auf die Methode Machine Learning. Dazu sammeln die Forschenden Daten von Alarmen und Fehlalarmen aus der Vergangenheit – sogenannte Trainingsdaten. «Je mehr Datensätze wir haben, desto besser können wir die automatische Fehlererkennung trainieren – konkret hat uns unser Projektpartner einige hunderttausend Datensätze zur Verfügung gestellt», so Kurt Stockinger. «Alarme sowie Fehlalarme verfügen über eine gewisse Charakteristik und bestimmte Muster, die es zu identifizieren gilt.» Dabei bilden Zeitpunkt, Ort und Dauer bis zum Abschalten des Alarms die Eckpfeiler. Das System gleicht den aktuellen Alarm mit den archivierten Daten ab und kann auf diese Weise eine Einschätzung abgeben, ob es sich um einen echten oder eher einen Fehlalarm handelt. Der Systembenutzer wird nun quasi zwischengeschaltet und kann aufgrund der Empfehlung manuell entscheiden, ob der Alarm der Leitstelle gemeldet werden soll oder nicht. So kann der er den Fehlalarm unterbinden, bevor er Kosten verursacht.
15'000 Datensätze pro Sekunde vergleichen
Ist der Alarm allerdings ein Ernstfall, zählt jede Sekunde. Das Ziel der Forschenden ist es deshalb, die Echtheit des Alarms in kürzester Zeit zu analysieren. «Um Datenmengen dieser Grössenordnung in Echtzeit verarbeiten zu können, brauchen wir genügend Bandbreite und Rechenleistung», so Kurt Stockinger. «Wir können den eingegangenen Alarm mit 15'000 Datensätzen pro Sekunde abgleichen.» Somit lässt sich innerhalb weniger Sekunden klären, ob es sich um einen richtigen Alarm handelt oder eher nicht. «Aber natürlich erreicht man nie eine zu 100 Prozent sichere Einschätzung», sagt Kurt Stockinger. Ausserdem würden viele Benutzer der Technologie Machine Learning noch nicht uneingeschränkt vertrauen. «Für viele ist das immer noch eine Art Black Box.» Neben der automatischen Einschätzung durch das System erhält der Benutzer darum zusätzlich die Möglichkeit, die vergleichbaren Alarme in der Datenhistorie einzusehen. «Man muss also nicht blind dem System vertrauen, sondern kann sich auch selbst ein Bild machen und die eigenen Erfahrungswerte einfliessen lassen», erklärt Kurt Stockinger. «Dadurch, dass er in die Vergangenheit blicken kann, ist die Entscheidung für den User einfacher.» Und mit jedem Alarm lernt das System weiter dazu.
«Alarme sowie Fehlalarme verfügen über eine gewisse Charakteristik und bestimmte Muster, die es zu identifizieren gilt.»
Kurt Stockinger, Institut für angewandte Informationstechnologie
Up to date dank Social Media
Die ersten Testanwendungen sind laut Kurt Stockinger positiv verlaufen: «Die Alarmeinschätzung durch unsere Algorithmen zeigt bereits jetzt eine Trefferquote von über 90 Prozent.» Um diese Quote noch weiter zu verbessern, wollen die Forschenden die Aktivitäten auf sozialen Netzwerken als weitere Datenquelle miteinbeziehen. Auf diese Weise kann das System auch mit Informationen zu aktuellen Ereignissen gefüttert werden: «Mittels Texterkennung wollen wir in den Social Media weitere Indizien für mögliche Fehlalarme sammeln», so Kurt Stockinger. «Wir schauen uns also die Textquellen an und versuchen die brauchbaren Informationen wie Ereignis, Lokalität und Zeit herauszufiltern.» Diese Infos wollen die Forschenden nicht nur in den Algorithmus einfliessen lassen, sondern auch auf einer Karte darstellen. So steigt die Wahrscheinlichkeit der korrekten Einschätzung; und gleichzeitig kann der Benutzer diese Karte als dritte Entscheidungshilfe zur Verifizierung des Alarms hinzuziehen.
Dank Alarmverifizierung Geld sparen
Der Projektpartner Sitasys ist schweizweit ein führender Anbieter von Alarmübertragungen und will das System künftig als Dienstleistung anbieten. «Die Kosten für einen Fehlalarm belaufen sich schnell auf 1000 bis 2000 Franken», erklärt Peter Monte, Geschäftsführer von Sitasys. «Mit der zwischengeschalteten Verifizierungshilfe, die die ZHAW School of Engineering mit uns entwickelt, werden unsere Kunden also bares Geld sparen.» Weiter will der Projektpartner eine sogenannte Security Map herausgeben, auf welcher alle echten Alarme statistisch verzeichnet sind und mit Schattierungsstufen dargestellt werden. Die Karte gibt somit repräsentativ Aufschluss darüber, wo welche Ereignisse häufiger auftreten und wo nicht.
Auf einen Blick
Beteiligte Institute und Zentren:
Projektpartner:
Finanzierung:
Projektdauer: 2016 – 2018