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School of Engineering

Kreislaufwirtschaft ist kein Hype, der vorübergeht

Von 2021 bis 2024 hat der Innovation Booster «Applied Circular Sustainability», gefördert durch die Innosuisse, mehr als 50 Schweizer Startups und Unternehmen dabei begleitet, von linearen zu zirkulären Geschäftsmodellen zu wechseln. Geleitet wurde das Projekt vom Institute of Product Development and Production Technologies (IPP) der ZHAW School of Engineering. Adrian Burri, Institutsleiter des IPP, blickt im Interview zurück und fasst die wichtigsten Learnings zusammen.

Worum geht es bei dem Innovation Booster Circular Economy?
Unsere Aufgabe war es, Firmen, Privatpersonen und die Gesellschaft in Sachen Kreislaufwirtschaft weiterzubringen. Das heisst, zusammen mit Expert:innen und verschiedenen Stakeholdern an Themen oder Problemen zu arbeiten, die noch nicht gelöst sind und innovative, radikale Projekte anzustossen. Ein wesentlicher Bestandteil war, Leute zusammenzubringen, die gemeinsam etwas verändern wollen. Dafür haben wir verschiedene Programme ins Leben gerufen. Einerseits ging es dabei um den Aufbau eines Netzwerks, andererseits darum, dass Teams Ideen entwickeln, für die eine Förderung ausgesprochen werden kann. 

Was für Ideen sind dabei entstanden?

Wir haben zwei Programme eingeführt – «Open Innovation Challenge» und «Circular Campaign». Beim ersten Programm haben wir ein Problem der Kreislaufwirtschaft in den Raum gestellt und 30 bis 40 Personen aus unterschiedlichen Firmen sowie der Politik für zwei Tage zusammengebracht, um zu diskutieren und Lösungen dafür zu entwickeln. Daraus sind pro Challenge zwei Projekte ausgewählt und gefördert worden. Bei einem ging es beispielsweise um Fassadenbegrünung. Wenn man mehr Gebäude begrünen würde, könnte man die Temperatur in einer Stadt im Sommer um sieben Grad senken. Bei einzelnen Gebäuden wird das schon gemacht, aber warum nicht im grösseren Massstab? Um herauszufinden, wo die Schwierigkeiten liegen, haben wir Architekt:innen, städtische Stellen, Gartenplaner:innen, Feuerpolizei und Gärtner:innen zusammengebracht. Daraus sind zwei konkrete Konzepte in der Stadt Dietikon entstanden, die 2026 an der Phänomena ausgestellt werden.

Waren alle Projekte interdisziplinär angelegt?

Ja, denn Kreislaufwirtschaft muss interdisziplinär gelöst werden. Das war uns vorher schon klar, hat sich im Projekt aber bestätigt. Man muss Leute aus der Produktentwicklung, den Materialwissenschaften, dem Business Modelling und natürlich die Kunden einbeziehen. Nur im Zusammenspiel kann man eine gesamtheitliche Lösung in Angriff nehmen. 

Worum ging es bei dem anderen Programm – Circular Campaign?

Hier konnten Teams, die bereits eine kreislauffähige Produkt- und Geschäftsidee hatten, einen Antrag auf Fördermittel stellen. Wir haben die Ideen bewertet und mit den Teams sogenannte «Sprints» durchgeführt, wo wir sie mit Experte:innen zusammengebracht haben. Insgesamt haben wir über die vier Jahre und über beide Programme 48 Teams gefördert. Nicht jedes der Projekte ist erfolgreich weitergeführt worden, aber es sind auch einige Innosuisse-Projekte, Kooperationen und firmeninterne Projekte daraus entstanden.

Was waren die Ziele des Innovation Boosters und wurden sie erreicht?

Wir haben uns zwei Ziele gesteckt, die wir auch erreicht haben. Zum einen wollten wir, dass sich interdisziplinäre, firmenübergreifende Projektteams formen, um kreislauffähige Ideen voranzubringen. Damit haben wir schweizweit viel bewirkt, das Thema «salonfähiger» gemacht und aufgezeigt, wie man Kreislaufwirtschaft anpackt. Das zweite Ziel war die Einbindung von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik in die Problemdiskussion und Lösungsentwicklung. Das haben wir v.a. durch die Open Innovation Challenges erreicht, wo wir verschiedene Stakeholder zusammengebracht haben, um ein gemeinsames Problemverständnis zu erarbeiten und auf dieser Basis anschliessend radikale Lösungen zu entwickeln. Das kam sehr gut an.

Was sind die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Booster?

Wir haben festgestellt, dass wir immer wieder mit denselben oder ähnlichen Fragen konfrontiert werden. Die Learnings daraus haben wir in einer Broschüre zusammengefasst mit dem Titel «Die zehn Hürden der Kreislaufwirtschaft». Eine wichtige Hürde ist die transformative Planung, bei der das Stakeholder-Involvement eine wichtige Rolle spielt. Man muss Kreislaufwirtschaft über das bestehende Business-Modell hinweg gesamtheitlich anpacken und alle ins Boot holen, um diese Vision gemeinsam umzusetzen. Für ein Start-up, das mit Leidenschaft eine Idee voranbringen will, ist das selbstverständlich. Schwieriger ist es aber bei einer etablierten Firma, die ein klassisches lineares Business-Modell hat. Daraus ein kreislauffähiges Business-Modell zu gestalten, geht nicht von heute auf morgen. Da braucht es vielleicht erst ein Pilotprojekt, um aufzuzeigen, was das genau bedeutet und was die Veränderungen sind. 

Wo steht die Schweiz heute in Sachen Kreislaufwirtschaft?

Aus der Perspektive der Aktivitäten läuft extrem viel. Es gibt zahlreiche Veranstaltungen, Netzwerkplattformen und auch Fördermittel für Start-ups. Das zeigt, dass das Thema keine Nische ist, sondern sehr präsent. In Hinblick auf Firmen oder KMU zeigt sich ein eher durchzogenes Bild. Einige sind sehr aktiv, beziehen Kreislaufwirtschaft in ihre Strategie mit ein und wollen Vorreiter sein, andere orientieren sich eher an den gesetzlichen Vorgaben und nicht darüber hinaus. Aber je mehr Vorzeige-Beispiele es gibt, desto mehr werden auch andere angeregt, etwas zu tun. Heute werden in der Schweiz erst 6,9 Prozent der Materialien im Kreis geführt, da gibt es noch Luft nach oben. 

Was braucht es, damit wir uns weiter in diese Richtung entwickeln?
Die EU ist bezüglich Vorgaben und Regulatorien um einiges weiter als die Schweiz. Da gibt es Verpflichtungen hinsichtlich Recycling-Quoten von Materialien, Rückverfolgbarkeitsverpflichtungen, Verpflichtungen zum Nachweis von Ökobilanz und Umweltschäden sowie Materialverbote. Das ist alles unter dem EU Green Deal entstanden und zwingt Firmen dazu, genauer zu überlegen, was für Produkte sie auf den Markt bringen. In der Schweiz fehlt dieser Druck oder das klare Commitment von Bund und Behörden. Aber Kreislaufwirtschaft ist kein Hype, der vorübergeht. Sie ist gekommen, um zu bleiben. Es gibt keinen anderen Weg für eine nachhaltige Zukunft.

Sind aus dem Innovation Booster neue Projekte entstanden oder gibt es ein Anschlussprojekt?
Das Programm war bewusst von der Innosuisse auf vier Jahre festgelegt, daher gibt es von dieser Seite auch kein Folgeprojekt. Das Konsortium aus 17 Personen von verschiedenen Hochschulen und aus der Privatwirtschaft, das den Booster betrieben hat, bleibt aber auch ohne Fördermittel bestehen. Uns kann man weiterhin über die Website kontaktieren. Gerne gestalten wir Open Innovation Challenges zu einem Thema und stellen unser Know-how zur Verfügung.