Bachelorarbeit Wirtschaftsingenieurwesen: Entwicklung eines quantitativen Modells für Nachbarschaftsservices in Quartieren
Organisierte Vernetzung im Wohnquartier
Lohnt sich ein organisierter Nachbarschaftsservice oder nicht? Zum Abschluss ihres Studiums in Wirtschaftsingenieurwesen haben Livio Realini und Hansjürg Stiffler ein Simulationsmodell entwickelt, um das Potenzial von Dienstleistungen in der Nachbarschaft zu messen.
Wenn der pensionierte Elektriker von nebenan unsere Lampen an der Decke installiert, die Studentin von gegenüber das Smartphone der Nachbarn einrichtet oder wir selber auf dem Nachhauseweg dem Herrn aus dem 2. Stock die Einkäufe mitbringen, dann ist das klassische Nachbarschaftshilfe. Wie wäre es, wenn man diese Nachbarschaftshilfe als Dienstleistungsnetzwerk organisiert? Dienstleistungsbedürfnisse werden in den kommenden Jahren zunehmend an Relevanz gewinnen. Der Trend: Menschen fokussieren sich in ihrem Privatleben auf Kerntätigkeiten und wollen selektiv Nebentätigkeiten an externe Dienstleister vergeben. Das gilt vor allem dann, wenn ihnen dazu das eigene Wissen fehlt, die persönlichen Fertigkeiten nicht genügen oder wenn das Interesse an den Tätigkeiten zu gering ist. Die Alterung der Gesellschaft verstärkt diesen Trend.
Potenzial von Services messen
«Je älter wir werden, desto mehr braucht es Unterstützung durch Dritte und die Vernetzung mit Produkt- und Serviceanbietern, die es Menschen ermöglichen, länger zuhause wohnen zu bleiben», so Jürg Meierhofer, Dozent für Service Science und Service Engineering. «In diesem Zusammenhang stellen extern erbrachte Dienstleistungen ein adäquates Mittel dar, die Unabhängigkeit der Menschen in ihrer eigenen Wohnform zu gewährleisten.» Im Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen haben die beiden Absolventen Livio Realini und Hansjürg Stiffler deshalb untersucht, wie man das Potenzial von Nachbarschaftsdiensten messen kann. Dazu haben sie im Rahmen ihrer Bachelorarbeit ein Simulationsmodell entwickelt. Mit ihrem Modell können die Absolventen untersuchen, ob sich in einem Netzwerk – also in einer Siedlung oder in einem Quartier – ein solcher Service lohnen könnte oder nicht.
«In unserer Arbeit haben wir den Effekt von Nachbarschaftshilfe quantifiziert und mit Hilfe von Simulationen untersucht.»
Livio Realini
Erstellung eines Simulationsmodells
«In unserer Arbeit haben wir den Effekt von Nachbarschaftshilfe quantifiziert und mit Hilfe von Simulationen untersucht», erklärt Livio Realini. Basierend auf bestehenden Studien für die Verteilung von Service-Angebot und -Nachfrage haben die Absolventen ein Simulationsmodell erstellt, in welchem Servicebedürfnisse auf entsprechende Angebote treffen. Dabei wird auch berücksichtigt, dass Servicebedürfnisse innerhalb einer gewissen Zeit abgedeckt werden müssen und sonst hinfällig werden. «Wir haben mit unserem Modell verschiedene Szenarien durchgespielt», so Hansjürg Stiffler. «Wir haben dabei die Mischung an Serviceangeboten und -bedürfnissen variiert – ebenso wie die Bereitschaft der Anwohner, selber Dienstleistungen zu erbringen.»
Auswertung der Resultate
«Bedürfnisse sind in jedem Netzwerk vorhanden. Die Frage ist nur, ob und wie diese abgedeckt werden können», so Livio Realini. Die beiden Absolventen konnten quantifizieren, wie die Bereitschaft von Personen, in einem Nachbarschaftsnetzwerk eine Dienstleistung anzubieten, einen wesentlichen Einfluss auf die Abdeckung der Bedürfnisse hat. Fazit: Je grösser das Netzwerk, desto kleiner muss die Bereitschaft der einzelnen Teilnehmer sein, um einen hohen Servicegrad zu erreichen. «Es stellt sich die Frage, wie diese Bereitschaft erhöht werden kann», so Hansjürg Stiffler. «Durch finanzielle Abgeltung ist die Gefahr gross, dass die Dienstleistungen nicht mehr nachgefragt werden.» Mögliche Anbieter müssten also andere Wege und Mittel finden, um die Bereitschaft zu erhöhen, bis ein Netzwerk aufgebaut ist und sich Nachfrage und Angebot ein-gependelt haben.
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